omanautorin
Abends erleuchtet nur eine Werkstattlampe die Trümmer. Die Schatten werden riesengroß
an die Decke geworfen, und Matisse denkt sich Romane aus. Als Waisenkind vom
Dorfe kommend, wo sich die Ehrenhaftigkeit ihrer Eltern abgenützt hat, landet
sie in Paris in der Bar ihres Onkels, der vor langer Zeit In die Hauptstadt
gezogen ist; er ist ihr letzter Verwandter, ihre letzte Stütze. Was wird aus
ihr, der Naiven und Reinen, inmitten der Stellmacher und der beunruhigenden,
lüsternen Blicke werden? Ihr Schicksal läßt sich an den Augen einer Dirne ablesen,
die ein Zuhälter mißhandelt. Der Onkel selbst wird sie diesem russischen Prinzen
ausliefern, und schon ist es geschehen; aber der Unbekannte erscheint und rettet
sie. Kraft, Schönheit, Reichtum, er hat ein Geheimnis in seinem Leben. Sobald
man es erfährt, ist der Roman zu Ende.
Ein andermal ist Matisse die Pantherin,
die spanische Granden ruiniert, Kinder in den Selbstmord treibt, Angestellte
in den Diebstahl, Bankiers in den Bankrott, Gymnasiasten in den Mord. Und am
Ende verführt sie, immer wieder den Schauplatz wechselnd, in einem Vorstadtcafe
den unschuldigen Gläserwäscher, der noch keine sechzehn ist. Hier wird die Szene
realistisch, und plötzlich — schöne Augen, was sucht ihr an den Deckenbalken?
— bemerkt die Lüsterne ein Medaillon am Halse des jungen Mannes oder ein Muttermal
oder eine unauslöschliche Tätowierung, und fürwahr, es ist ihr Sohn, den sie
vor langer Zeit auf den Stufen irgendeiner Kirche im Schnee ausgesetzt hat.
Nach einer derartigen Wendung geht man ins Kloster; sie aber geht ins Eßzimmer.
- (lib)
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