Namensarten     Die Wikmunkan in Australien untersagen jede Erwähnung des oder der Namen während der drei Jahre, die dem Tod des Namensträgers folgen, bis sein mumifizierter Leichnam in Asche verwandelt ist. Bestimmte Namen dürfen nie erwähnt werden: so die der Schwester und des Bruders der Frau. Der Fragesteller, der die Ungeschicklichkeit besäße, sich nach ihnen zu erkundigen, würde als Antwort anstelle der erbetenen Namen Worter hören, deren wirklicher Sinn »ohne Namen«, »keinen Namen« oder »der Zwcitgeborene« ist.

Eine letzte Schwierigkeit ergibt sich aus der großen Zahl der Namenskategorien. Bei den Wikmunkan sind zu unterscheiden: die Verwandtschaftsausdrücke nämp kämpan; die Namen der Lebensverhältnissc oder des Status; die Spitznamen, nämp yann, im wörtlichen Sinn: »Name nichts«, wie »krank« oder »ungeschickt«; und schließlich die wirklichen Eigennamen, nämp, Nur die Verwandtschaftsnamen werden normalerwcise als Anreden verwendet, außer während der Zeiten der Trauer, wo man Namen gebraucht, die der Trauer entsprechen und deren Sinn ist: Witwer oder Witwe oder »durch den Verlust eines Verwandten getroffen«, wobei man spezifiziert, ob es sich um einen Bruder oder eine Schwester (älter oder jünger), um cm Kind, um einen Neffen oder eine Nichte (parallel oder gekreuzt) oder um einen Großelternteil handelt.

Das Verfahren zur Bildung von Eigennamen ist von besonderem Interesse. Jedes Individuum besitzt drei personliche Namen. Einen »NabeI«-Namen nämp-kort'n; einen Hauptnamen nämp pt'in; und einen Kosenamen nämp mäny. Alle Haupt- und Kosenamen leiten sich aus dem Totem oder den Attributen des Totem her und stellen also Besitztümer des Clans dar. Die Hauptnamen beziehen sich auf den Kopf oder den oberen Körperteil des Totemtiers, die Kosenamen auf das Bein, den Schwanz oder die untere Körpcrhälfte. So hat ein Mann des Fisch-Clans als Hauptnamen Pämpikän, »der Mann schlägt« (Kopf), und als Kosenamen Yänk, »Bein« (= der verengte Teil des Schwanzes); und eine Frau desselben Clans Päm-kotjattä und Tippunt, (Fett) »vom Bauch«.

Die »Nabel«-Namen sind die einzigen, die von einem anderen Clan und sogar von einem anderen Geschlecht als dem des Trägers stammen können. Sobald das Kind geboren ist, aber noch vor der Befreiung von der Placenta, zieht eine qualifizierte Person an der Nabelschnur und zählt dabei zuerst die männlichen Namen der väterlichen Linie auf, dann die weiblichen und schließlich die männlichen Namen der mütterlichen Linie. Der Name, der in dem Augenblick gesprochen wird, in dem die Placenta fällt, wird der Name des Kindes sein. Zweifellos manipuliert man häufig die Nabelschnur, um den gewünschten Namen zu erhalten.  Wie in den oben angeführten Fällen haben wir hier also ein Verfahren der Namensbildung, das die Forderung einer objektiven Ordnung und das (innerhalb dieser Ordnung zum Teil freie) Spiel der zwischenpersönlichen Beziehungen miteinander in Übereinstimmung bringt.   - Claude Lévi-Strauss, Das wilde Denken. Frankfurt am Main 1991 (zuerst 1962)

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