artini Natürlich trinke ich Wein nie in einer Bar. Wein ist ein rein physisches Vergnügen, das die Phantasie überhaupt nicht anregt.
Um sich in einer Bar in einen Zustand der Träumerei zu versetzen und darin
zu verweilen, braucht man englischen Gin. Mein bevorzugtes Getränk ist Martini
dry. Angesichts der herausragenden Rolle, die der Martini dry in dem Leben gespielt
hat, von dem ich hier erzähle, muß ich ihm zwei oder drei Seiten widmen. Wie
alle Cocktails ist der Martini dry vermutlich eine
amerikanische Erfindung. Er besteht vor allem aus Gin und einigen Tropfen Wermut,
vorzugsweise Noilly-Prat. Die wirklichen Kenner, die ihren Martini gern ganz
trocken trinken, behaupten sogar, man dürfe den Noilly-Prat erst dann in den
Gin geben, wenn ein Sonnenstrahl ihn berührt habe. Ein guter Martini dry, sagt
man in Amerika, sei wie die unbefleckte Empfängnis.
Bekanntlich habe dem heiligen Thomas von Aquin
zufolge die befruchtende Kraft des Heiligen Geistes das Hymen der Jungfrau Maria
durchquert „wie ein Sonnenstrahl, der durch eine Glasscheibe fällt, ohne sie
zu zerbrechen". Genauso sei es mit dem Noilly-Prat. Das finde ich etwas
übertrieben. - Luis Buñuel, Mein letzter Seufzer. Berlin, Wien, Frankfurt am
Main 1985
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