ebensweisheit
Es gibt eine Lebensweisheit, die uns über Ehrgeiz und Glückszufälle
erhebt, die uns den Reichen, Großen und Mächtigen gleichstellt, nein, über sie
erhaben macht; die uns gleichgültig sein läßt gegen Stellung und Gönner; die
uns davon befreit, zu wünschen, zu verlangen, zu
bitten, zu ersuchen, beschwerlich zu fallen, und uns sogar die Erregung
und übermäßige Freude, erhört worden zu sein, erspart. Es gibt eine andere
Lebensweisheit, die uns lehrt, all diese Dinge auf uns zu nehmen und sie um
unserer Nächsten oder Freunde willen zu ertragen: das ist die bessere.
- (
bru
)
Lebensweisheit
(2) Sehr spät in der Nacht gingen die zwei Studenten
den Boulevard der Philosophen hinunter, undjetzt sprachen sie von dem inneren
Gurgeln, das sie beim Verlassen der fremden Stadt vernahmen. Der blonde
Enrico sagte, wenn man eine Stadt verlasse, werde das Gegurgel stark, alles
sei unsicher, und man verstehe nicht ganz, was passiert sei, doch man verstehe,
daß alles, was man an dem Ort gesehen und gehört habe, nur eine Leihgabe gewesen
sei, die man bekommen habe, um am Rand des Seelenlochs entlangzugehen. Und während
über dem Fluß die Sonne aufging, kamen die zwei überein, daß es sich immer darum
handelt, am Rand des Seelenlochs entlangzugehen.
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Gianni Celati, Die Novelle von den zwei Studenten. In: G. C., Cinema naturale. Berlin 2001
Lebensweisheit
(3) „Man muß zuerst ein Baum sein, bevor man eine Kuh
wird", sagt eine uralte Lebensweisheit. Dieser Ansicht war mit Sicherheit
auch Monsieur Barreau, der, bevor er Monsieur wurde, vom Süßwasserfabrikanten
in der Wüste bis hin zum anglikanischen Geistlichen, zum Flic und schließlich
bis zum Monsieur alle erdenklichen Berufe ausgeübt hatte.
- (per)
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