ochzeitsbett   »Ich bin ein großer Geschichtenerzähler gewesen zu meiner Zeit, und all das habe ich gerne erzählt, wovon einem das Blut in den Adern kalt wird. Teufelsgeister, Gift, Verrat, Folter, Dunkel und Wahnsinn - davon hat Mira am liebsten erzählt.«

»Nun fällt mir auch eine von deinen Geschichten ein«, sagte Lincoln. »Du hast mich recht damit erschreckt, mich und zwei junge Tänzerinnen aus Lamu, die eigentlich keinen Grund zur Besorgnis zu haben brauchten - so daß wir die ganze Nacht nicht geschlafen haben. Der Sultan verlangte eine Jungfrau, und mit vieler Mühe besorgte man ihm eine aus den Bergen. Aber siehe da, er mußte entdecken . . .«

»Richtig, richtig!« fiel ihm Mira ins Wort, und sein Antlitz verwandelte sich jäh, seine dunklen Augen leuchteten, und seine Hände wurden wieder lebendig nach alter Märchenerzählerweise, wie zwei bejahrte Tanzschlangen sich von der Flöte aus ihrem Korbe locken lassen. »Der Sultan verlangte nach einer unberührten Jungfrau, die nicht wüßte, was ein Mann sei. Mit vieler Mühe besorgte man sie aus dem Amazonenreich in den Bergen, denn dort fochten die Frauen auf eigene Faust wilde Kämpfe aus, und alle Kinder männlichen Geschlechts hatten sie umgebracht. Aber als der Sultan zu ihr trat, sah er, unter den Vorhängen an der Tür verborgen, wie sie nach einem jungen Wasserträger Ausschau hielt, der im Palaste hin und wieder schritt, und hörte sie zu sich selber sprechen: ›Siehe, es muß ein guter Ort sein, an den ich gekommen bin, und dieses Geschöpf ist sicher Gott oder doch ein Starker unter den Engeln: der vielleicht, der den Blitz schleudert. Jetzt schreckt mich das Sterben nicht, denn ich habe gesehen, was keiner gesehen hat.‹ Über diesen Worten hob auch der Wasserträger seinen Blick zum Fenster und verweilte alsbald, wo er stand, und blickte das Mädchen unverwandt an. Da wurde der Sultan traurig in seinem Sinn, und er ließ die Jungfrau und den Jüngling lebendig zusammen begraben, in einer Marmortruhe, breit genug für ein Hochzeitsbett, unter einem Palmbaum in seinem Garten. Unter diesem Baum pflegte er zu sitzen und über mancherlei mit sich zu Rate zu gehen, auch darüber, daß ihm nie sein Herzenswunsch in Erfüllung gehen sollte, und ein kleiner Knabe mußte bei ihm sein und auf der Flöte spielen. Das war die Geschichte, die du einst zu hören bekommen hast.«

»Ja, aber damals war sie besser erzählt«, sprach Lincoln. - (blix)

 

Hochzeitsnacht Bett

 

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