egenliebe
Keinen kann das Glück mit seinen sogenannten Gütern dermaßen von
außen umschirmen und umpanzern, daß er unverwundbar würde für die Philosophie
und unzugänglich für Reden, die mit dem Stachel der Wahrheit ausgerüstet sind.
So geschah es denn, daß Alkibiades, obschon er von Anfang
an verhätschelt und von den ihn umdrängenden Schmeichlern gehindert wurde, auf
die Stimme des Warners und Erziehers zu hören, doch dank seiner edlen Veranlagung
den Ring der reichen und vornehmen Liebhaber durchbrach und Sokrates
erkannte und an sich zog. Schnell machte er sich ihn zum Freunde, und wenn er
seine Reden hörte, Reden eines Mannes, der nicht nach der eines rechten Mannes
unwürdigen Wollust des Liebhabers verlangte noch um Küsse und körperliche Berührung
bettelte, sondern den Finger auf die dunklen Flecke in seiner Seele legte und
den hohlen, unvernünftigen Dünkel in ihm geißelte,
«dann zog geduckt der stolze Hahn die Flügel ein».
Dann dünkte ihn das Tun des Sokrates wahrhaft ein Gottesdienst zu Nutz und
Frommen der Jugend, dann verachtete er sich selbst, bewunderte er den Lehrer,
freute sich seines freundlichen Bemühens, blickte mit scheuer Verehrung auf
seine Tugend; und so entstand unmerklich in ihm das Widerspiel der Liebe, wie
Platon es nennt, die Gegenliebe, so daß alle staunten, wenn sie sahen, wie
er mit Sokrates speiste, turnte und sein Zelt teilte, während er sich gegen
die anderen Liebhaber spröde und unnahbar zeigte,
manchen sogar äußerst hoffartig begegnete. - (
plut
)