Erdbebenmorgen  es war heute wieder 1 solcher Erdbebenmorgen, ich meine alles bewegte sich selbsttätig, ohne daß ich auch nur etwas berührte, anrührte, der Campingtisch zB auf welchem ich tippte, erzitterte unablässig, so daß ich annehmen mußte, er würde alle Viere im nächsten Moment von sich strecken, seine Beine waren ja einziehbar, also vollkommen praktisch, ich marterte mich aus dem Bett, ich verließ also mein Morgenlager und knüppelte mich zum großen Tisch (welcher auf fixen Beinen) und versank da in einem der wenigen leeren Sessel (alle übrigen belegt oder mit Küchengeschirr angeräumt, usw.), ich fiel also in diesen einzigen (brauchbaren) Sessel knickte in meiner Mitte ab und stützte den Kopf in die Hände, es zog mich tief hinab und ich hatte das Gefühl ich würde nun bald mit meiner Stirn den Fußboden berühren, ich mußte an St. Stephan denken, in meinem Absturz (Verzweiflung) und wie sie, die Droschkengäule dort stundenlang im Schneeregen stehen und ihre Köpfe hängen lassen, und jemand in mir sagte streng weg mit dem Selbstmitleid, usw.,

Möchte hier aufzeichnen, wie ich zusammengeknickt saß auf meinem Sessel, so :

   - Friederike Mayröcker, Die kommunizierenden Gefäße. Frankfurt am Main 2003 (es 2444)

 

Erdbeben Morgen

 

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