rotnase  Iwan Jakowlewitsch zog der Schicklichkeit halber den Frack über das Hemd, setzte sich an den Tisch, schüttete sich ein Häuflein Salz zurecht, putzte zwei Zwiebelköpfe, nahm das Messer in die Hand, setzte eine bedeutungsvolle Miene auf und machte sich daran, das Brot anzuschneiden. Er schnitt es in zwei Hälften, besah sich das Innere und erblickte zu seiner Verwunderung etwas Weißliches. Iwan Jakowlewitsch stocherte vorsichtig mit dem Messer daran herum und kratzte ein wenig mit dem Daumen. »Etwas Hartes!« brummte er vor sich hin. »Was mag es nur sein?«

Er steckte die Finger hinein und zog - eine Nase heraus! Iwan Jakowlewitsch ließ die Arme sinken, rieb sich die Augen und betastete das Ding. Es war eine Nase, eine richtige Nase! und noch dazu, wie ihm schien, eine bekannte Nase. Entsetzen malte sich auf Iwan Jakowlewitschs Zügen. Aber dieses Entsetzen war nichts im Vergleich zu dem Unwillen, der sich seiner Gemahlin bemächtigte.

»Wem hast du diese Nase abgeschnitten, du Vieh?« kreischte sie wütend. »Du Gauner! du besoffener Kerl! Ich werde dich selber bei der Polizei anzeigen. So ein Räuber! Von drei Leuten schon habe ich gehört, daß du sie beim Halbieren derart an den Nasen zerrst, daß es ein Wunder ist, wenn sie nicht abreißen.«

Aber Iwan Jakowlewitsch war mehr tot als lebendig. Er hatte soeben festgestellt, daß diese Nase niemand anderem gehörte als dem Kollegienassessor Kowalew, den er jeden Mittwoch und Sonntag halbierte.

»Halt, Praskowja Osipowna! Ich werde sie in einen Lappen wickeln und in eine Ecke legen und dann hinaustragen.«

»Davon will ich nichts hören! Wie könnte ich gestatten, daß eine abgeschnittene Nase bei mir im Zimmer herumläge? ... Du angebrannter Zwieback! Kann nichts anderes, als sein Messer am Riemen abziehen, und wird bald überhaupt nicht mehr imstande sein, seinem Geschäft nachzugehen, der Herumstreicher, der nichtsnutzige! Ich soll mich deinetwegen vor der Polizei verantworten? ... Ach, du Sudler, du dummer Klotz! Hinaus mit ihr! hinaus! Bring sie, wohin du willst! daß ich kein Sterbenswörtchen mehr von ihr höre!«  - Nikolaj Gogol, Die Nase. In: N.G., Sämtliche Erzählungen. Stuttgart u. Hamburg 1961

 

Nase

 

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