lick,
onkelhafter
Monsieur Boillault ist mit mir hinausgegangen, um sich auf den Bürgersteig
der Rue Vieille-des-Archives zu stellen, und wir haben gemeinsam zugesehen,
wie auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig eine Gruppe junger, unbedarfter,
frisch aus ihrem Skandinavien eingeschleuster Skandinavierinnen vorüberging,
die im Hinblick auf ihre südlichen Sommerabenteuer sehr spärlich bekleidet waren.
Wenn wir viel älter gewesen wären (wie der Autor zum Beispiel), hätten wir uns
gerührt an die ersten kleinen, ganz nackten schwedischen Brüste
erinnert, die man zu Anfang der fünfziger Jahre auf den schüchternen Kinoleinwänden
erblickte, zum Beispiel die von Bibi Anderson (?) in ›Sie tanzte nur einen Sommer‹.
Die Skandinavierinnen waren in der noch milden Sonne stehengeblieben und schnatterten,
wobei sie grüne und blaue Fremdenführer und rote und braune Straßenkarten schwenkten,
und sie entließen skandinavische Konsonanten in die Luft, die mit zahllosen
ö und Ø gespickt waren. Das Ganze war eher angenehm, und wir betrachteten sie
schweigend mit onkelhaftem Blick, als wir durch die Salzsäurestimme von Madame
Croche, der Concierge von Hausnummer 3, unangenehm aus dieser Betrachtung gerissen
wurden. Madame Croche holte, nachdem die Müllabfuhr vorbeigekommen war, die
Mülleimer von der Straße und stellte sie in ihre jeweiligen Nischen unter den
Treppenaufgängen A, B, C, D, E und F: »Aha, Sex-beef, wie die Engländer
sagen!« - Jacques
Roubaud, Die schöne Hortense. München 1992 (dtv 11602, zuerst 1985)