iographie, zukünftige
Dann wird Birgi einundzwanzig sein und mich vor die Alternative Heirat
oder Trennung stellen. Mein Biograph wird schreiben: Immerhin, die junge
Frau ist seit über fünf Jahren seine Geliebte. Seit drei Jahren lebt
sie mit ihm zusammen. Sie ist ihm absolut treu und ergeben. Körperlich
und auch geistig über ihre Jahre gereift, ist sie weitaus tüchtiger und
zuverlässiger als seine frühere Ehefrau. Die sexuellen Beziehungen sind
ungetrübt. Über mögliche Schwierigkeiten, die der Altersunterschied mit
sich bringt, ist sie sich im klaren. Auch darüber, daß sie unter
Umständen ihren Mann in einigen Jahren pflegen muß und mit dreißig oder
fünfunddreißig bereits Witwe ist. Sepp Achternbusch hätte also nur
gesagt werden können, daß sein Wunsch, seine Geliebte nicht zu
verlieren, ohne das Verhältnis zu legalisieren, einen kaum zu
überbietenden Egoismus darstellt, er sich in ihre Lage versetzen müsse
und daß es nicht zusammenpasse, eine so erstaunliche junge Frau zu
behalten und ihr gleichzeitig den Wunsch nach einem Kind wie auch die
gesellschaftliche Anerkennung ihrer Bindung zu versagen. Er kann sich
nicht vorstellen, daß ihn seine Freundin verlassen könnte. Er hält die
erotische Bindung für zu stark. Darin irrt er sicher. Wahrscheinlich
steht die Bindung seiner Geliebten weit mehr auf seelischen Grundlagen
als er annimmt; dies mag aus einem Vaterkomplex des Mädchens herrühren.
Er vergißt, daß sie den sexuellen Verkehr mit einem jungen Mann nicht
kennt. Er sollte bedenken, daß die junge Frau vermutlich ihre Drohung
wahrmachen wird. Zwei Tage vor seinem siebzigsten Geburtstag verläßt sie
ihn. Vor zwei Monaten hat sie sich, wie sie angibt, den ersten besten
Mann an den Hals geworfen. Es sei ihr schwer gefallen. In sexueller
Hinsicht sei es für sie eine Enttäuschung gewesen. Auf sein Bitten sei
sie nach vierzehn Tagen wieder zu ihm zurückgekehrt. Doch sie könne
jetzt das intime Zusammensein mit ihm nicht mehr ertragen. So sehr sie
früher seine Potenz geschätzt hat, so sehr erscheint sie ihr jetzt als
lüsterne Begehrlichkeit. Er hat sich erneut Hormoninjektionen
verabreichen lassen. Es widert sie an, daß er nachts wie tagsüber nur
noch drauf aus ist, mit ihr zu kopulieren. Sexuell sei er patenter als
ein junger Mann, gibt Birgi L. an. Aber ansonsten sei er vergreist, seit
er keine finanziellen Sorgen mehr habe und von den laufenden Einnahmen
seiner Bücher ohne Arbeit leben könne. Er habe auch keine geistigen
Interessen mehr. Als Sepp Achternbusch von seinem Verleger einen Besuch
bekommt, bestätigen sich diese Angaben. In seinem Aussehen wirkt er nach
wie vor sehr rüstig, wie ein Mann Ende 50. Doch er erscheint
interessenlos. Seine Gedanken wiederholen sich. Wenn er von Birgi
spricht, kommt er von bestimmten Sätzen nicht los. Er gibt seine Rede ab
wie eine Schallplatte, die einen Sprung hat. Perseveration nennt man
diesen Wiederholungsstil, dieses Klebenbleiben an Gedanken. - (acht)
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