ugen, tränende   Die Augen tränten unaufhörlich. Die Hornhaut wurde immer größer und dicker, nach einigen Tagen hatte sie den Umfang einer kleinen Münze angenommen. Die rechte Pupille trat schraubenförmig heraus. Keines der hundert Mittel brachte Erleichterung. Von Schmerz und Reue gepeinigt, dachte Fang-dung daran, ein Sündenbekenntnis abzulegen. Man sagte ihm, das Beten der Licht-Sutra helfe gegen die Schmerzen. Er ließ sich den Band bringen und sich daraus vorlesen. Zuerst war er dabei voller quälender Gedanken, aber allmählich kam Friede über ihn. Vom Morgengrauen bis zum Dunkelwerden saß er mit untergeschlagenen Beinen wie ein Buddhapriester und ließ die Perlen seines Rosenkranzes durch die Finger gleiten.

Als er ein Jahr lang also getan hatte, waren seine zehntausend Begierden zur Ruhe gekommen.

Eines Tages hörte er in seinem rechten Auge ein leises Sprechen, so leise wie das Summen einer Fliege: «Daß es hier immer so dunkel ist, wie schwarzer Lack, mag ich ganz und gar nicht leiden.»

Aus dem linken Auge antwortete es: «Wir könnten zusammen einen kleinen Spaziergang machen, um uns die Grillen zu vertreiben.»

Schon fühlte er es in seinen beiden Nasengängen kribbeln und jucken, wie wenn etwas herauskäme und die Nasenlöcher verließe. Nach geraumer Zeit kam das Etwas zurück und ging wieder durch die Nase in die Augenhöhlen. Und wieder hörte er die Stimme: «Es ist lange nicht mehr nach dem Garten gesehen worden. Die Perlorchideen sind welk, dürr und abgestorben.»

Fang-dung hatte früher duftende Orchideen sehr gern gehabt und in seinem Garten Blumen dieser Art mit eigener Hand gepflegt und jeden Tag begossen. Seitdem er aber sein Augenlicht verloren hatte, hatte er sich nicht mehr um sie gekümmert, auch nicht nach ihnen gefragt. Als er dies Gespräch hörte, rief er seine Frau und fragte sie: «Warum hat man die Orchideen so traurig verwelken lassen?»

Die Frau fragte ihrerseits, woher er das wisse, und Fang-dung erzählte die Geschichte.

Die Frau lief hinaus, um nachzusehen: die Blumen waren verwelkt! Sie fand die Sache so merkwürdig, daß sie sich, um ihr auf den Grund zu kommen, in ihres Mannes Zimmer versteckte. Bald sah sie zwei Männlein, nicht größer als eine Bohne, aus seiner Nase herauskommen, die geschäftig hin und her liefen und schließlich durch die Tür verschwanden. Weiter konnte sie sie nicht verfolgen. Nach einiger Zeit kamen sie Arm in Arm zurück, flogen ihm ins Gesicht, und gleich Bienen oder Ameisen waren sie im Nu in seinen Nasenlöchern verschwunden. - (pu-s)

Augen, tränende (2)

 

- Loïc Dubigeon

 

Auge

 

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