Alau, Herr der Levante, der christliche Astrologe, der Skythe Albanus vor dem Schloß Alamut.
ALAU, HERR DER LEVANTE: Was geschieht In diesem Schloß?
DER CHRISTLICHE ASTROLOGE: Das Schloß ist stumm, denn es ist unzugänglich
und braucht keine bewaffneten Männer; dort an der Mauer baumelt an einem goldenen
Strick :ein Mann, den man vor nicht allzu langer Zeit erhängt hat.
DER SKYTHE ALBANUS: Ich sehe durch die Mauer hindurch, daß sie beim
Schmause sitzen mit Tänzen, mit Musik und Frauen.
ALAU: So möge das Heer sich darauf vorbereiten, sein Win-, terlager in diesen
Riphee-Bergen aufzuschlagen, und das ganze Land von Mulekt zu plündern, denn
wir werden ein Jahr lang warten, bis die Hungersnot im Schlosse ausbricht. (Vorhang)
Zweite Szene
Die gleichen Personen.
ALAU: Was geschieht im Schloß?
DER CHRISTLICHE ASTROLOGE: Das Schloß ist stumm wie im letzten Winter; an
einem goldenen Strick hängt ein Skelett, das klirrt.
DER SKYTHE ALBANUS: Hinter den dicken Mauern sitzen sie beim Schmause und
verzehren die goldenen Früchte des Gartens.
ALAU: So möge das Heer sich für einen weiteren Winter einrichten und die
mächtige Stadt Sapurgan plündern, denn wir werden noch ein Jahr warten. (Vorhang)
Dritte Szene
Die gleichen Personen.
ALAU: Sind sie tot?
DER CHRISTLICHE ASTROLOGE: Das Schloß ist stumm, als gäbe es kein Schloß;
leer pfeift der Wind hinter dem Goldstrick her. Und in der Luft ist Knochenstaub.
DER SKYTHE ALBANUS: Hinter dem Schloß, im Paradies, in dem der Frauen Skelette
sind, haben die Assassine sich gegenseitig umgebracht, damit Alaodine sich
von ihrem Fleisch ernähre und ihnen auch nach ihrem Tod weiterhin das süße Leben
mit Musik und Tanz, mit goldenen Früchten und mit Frauen biete.
DER CHRISTLICHE ASTROLOGE: Das Tor öffnet den Mund zum Sprechen.
Vierte Szene
Die gleichen Personen, dazu Alaodine.
ALAODINE: Wer hat gesprochen? Wer hat an mein Tor geklopft? Seit drei Jahren
schon klopft man an mein Tor.
ALAU: Ich, Alau, Herr der Levante, spreche zu Dir, Alaodine, Scheich dieser
Berge und Schloßherr von Alamut. Ich schenke Dir das Leben, und Deine beiden
Überläufer, der Skythe Albanus und der christliche Astrologe sollen Zeugen sein,
wenn Du das Paradies, das hinter Deinem Schlosse
liegt, meinem Heere öffnest.
ALAODINE: schweigt und träumt.
ALAU: Ich schenke Dir das Leben, Alaodine, wenn Du nur mir allein, dem Fürsten
der Levante, das Paradies erschließt, das hinter Deinem Schlosse liegt. Wenn
Du mir nur einen Blick gewährst ins Paradies, das hinter Deinem Schlosse liegt.
ALAODINE: schweigt und träumt.
ALAU: Alaodine, wenn Du das Paradies verbrennst, das unzugänglich hinter
diesem Schlosse liegt, laß ich Dir die Augen ausstechen wie diesem christlichen
Astrologen und Dich verstümmeln wie diesen Skythen Albanus, der durch die Berge
sehen kann.
ALAODINE: (seinen Trinkbecher ergreifend) Auf Dein Wohl, Alau, Fürst
der Levante, erhebe ich diesen Becher, um die vier Flüsse aus Wasser, Milch,
Honig und Wein des Paradieses zu trinken, das hinter meinem Schlosse liegt.
Das ist alles, was Du davon sehen wirst. Das Paradies mit den vier Flüssen,
den Tänzen, den Frauen, den goldenen Früchten und der Musik und alles das, was
trotz der Hungersnot wieder ersteht, bleibt hinter dem Schlüsselloch meiner
uneinnehmbaren Festung. Der Skythe Albanus, der durch die Mauern sieht, und
dieser blinde Christ, der nicht die Mauern sieht, sind Zeugen, wie ich an den
vier Flüssen trinke, und ich habe die vier Flüsse aus Wasser, Milch, ._. Honig
und Wein getrunken und das Paradies und mein Schloß Alamut. Er wirft seinen
Becher den Berg hinab.
ALAU: Tötet den Alten!
Die Barone erscheinen und gehorchen.
DIE BEIDEN ASTROLOGEN: Alau, Herr der Levante, und Ihr, Barone:
DER SKYTHE ALBANUS: Es gibt kein Paradies mehr und auch kein Schloß mehr,
die Sonne und Mond sind über dem zweifachen Lichtnelkenobelisken erloschen,
die Riphée-Berge werden weiß, und wir werden in der bitteren und strengen Kälte
der Berge umkommen.
DER CHRISTLICHE ASTROLOGE: Es hat nie ein Paradies und ein Schloß gegeben.
Die Mauer und die Schneegipfel fallen zusammen.
- Alfred Jarry, Der Alte vom Berge. Nach (
jar
)