unge, flatternde Dorothea wollte sich den Herren gegenüber nicht setzen. Leicht vornübergebeugt stand sie hochgewachsen und sah mit dem einen Auge durch das eine, mit dem anderen durch das andere Fenster, als sei ihr der seit Tagen verhängte Aprilhimmel offen. Dann blickte sie zwingend den Hauskomptur an und sagte rasch, unbetont, in sonderbarer Wortfolge Unheil voraus. Auf den Tag genau wußte sie die Schlacht und Niederlage des Deutschritterordens bei Tannenberg. Womöglich weil das Datum der Schlacht im nächsten Jahrhundert lag, retteten sich die vier Herren in mannhaftes Lachen. Danach hörte man deutlicher den Lärm der Eimermacher. Mit barschem Einstieg gab sich Christian Roze Mühe, die schlimme Prophezeiung als närrisches Geschwätz abzutun. Er rügte Dorotheas auffälliges Verhalten: Was ihr einfalle, während der Heiligen Messe zu kichern und wie eine lüsterne Hur offenen Mundes mit der Zunge zu wedeln? Wenn schon morsches Sargholz, ob sie dann auch die Hörner des Ziegenbocks zu Asche brenne? Welcher Galan auf sie warte, wenn sie nachts mit schriller Lache durch die altstädtischen Gassen ins Hakelwerk laufe? Ob es stimme, daß sie sich zwei Handbreit überm Boden schwebend halten, also auch über Wasser laufen könne? Ob sie sich so gerettet habe, als sie auf einer Eisscholle im Fluß Elbe abtrieb? Und wen sie für die Gunst solcher Künste mit ihrer Seele bezahlt habe? Auf alle Fragen antwortete Dorothea, deren Mund sich beim Sprechen leicht schief verzog und fischig aufwarf, mit Wortketten, die nicht immer einen Satz ergaben, doch der Endreime wegen poetische Methode vermuten ließen.
»Munzloch mir herzjesu kust,
wenn min zünglin
nit behust . . .«
»Min haupt is beklait von jesu sin lait,
vun asch us
der glüt gewunnen us nüt . . .«
»Wenn dusterkait bricht, min herz jammer
vicht,
min senlaiches ziel, liepjesu gespiel,
sin laip gait freuden vil
. . .«
»Bin immer erhebet op grausen grund,
wenn jesu mich zuget mit sin
minniklich munt.. .«
»Min seel gab ich her vor jesu sin sper.
Trum herren
an tischen,
nu sott ich vier fischen,
wollt hering vun schonen
liepjesu
verlohnen.«
Das ging dem Abt und dem Hauskomptur, dem dominikanischen Beichtvater und
auch dem kanonischen Doktor zu Herzen. So zierlich könne gewiß nicht Satan aus
dem armen Menschenkind sprechen. Dieses Zünglein, das manchmal - gewiß! - aufreizend
zu flattern beginne, werde wohl Gott der Herr gelöst haben. -
(but)
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