Zeit, reine  Jetzt wird er gleich anfangen: es fehlen noch fünfzig Sekunden bis acht. Eigentlich muß er absolut nichts anfangen. In gewisser Hinsicht muß er absolut alles anfangen. Jedenfalls muß er nichts »tun«. Er muß einfach von acht Uhr bis neun Uhr gelangen; nur dieses: den Zeitraum von einer Stunde durchmessen, einen Zeitraum, den er unzählige Male durchmessen hat. Er darf ihn aber nur als Zeit durchmessen, als nichts anderes, absolut nichts. Es ist bereits etwas mehr als eine Minute nach acht. Er ist ruhig, spürt jedoch, daß ein leichtes Zittern sich in seinem Körper vorbereitet. Bei der siebten Minute fängt sein Herz an, allmählich schneller zu schlagen. Bei der zehnten Minute beginnt die Kehle sich zusammenzuschnüren, während das Herz am Rande der Panik pocht. Bei der fünfzehnten Minute hüllt sich der ganze Körper beinahe augenblicklich in Schweiß. Drei Minuten später beginnt der Speichel aus seinem Mund zu weichen. Die Lippen verfärben sich weiß. Bei der einundzwanzigsten Minute beginnen seine Zähne zu klappern, als ob er lachte; die Pupillen erweitern sich und die Augenlider gehen nicht mehr auf und zu. Er fühlt, wie sich sein Schließmuskel weitet, und überall an seinem Körper sind die Haare jetzt stachlig und steif — im Eise erstarrt. Unvermittelt schlägt sein Herz wieder langsamer, und sein Blick wird trüb. Bei der fünfundzwanzigsten Minute schüttelt ihn ein wütendes Beben zwanzig Sekunden lang von oben bis unten. Als es aufhört, beginnt sein Zwerchfell sich zu bewegen. Jetzt umwickelt das Zwerchfell ihm das Herz. Er vergießt Tränen, ohne zu weinen. Ein Geschmetter betäubt ihn. Der Herr im Leinenanzug möchte etwas erklären, aber die achtundzwanzigste Minute trifft ihn an der Schläfe und er gleitet vom Stuhl und fällt mit einem absolut geräuschlosen Aufschlag zu Boden und zerbröselt.  - (pill)
 
 

Zeit

 

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