Wartezimmer Plastische Chirurgie    Ein gemeinsamer Besuch bei Schoenmaker im September stellte den Kontakt hergestellt, und die Folge war, daß Esther sich ohne großen Widerspruch den Messern und knetenden Händen des Arztes auslieferte.

An diesem Tage hatte man für sie ein wahres Verbrecheralbum von Mißgestalteten zusammengetragen. Eine glatzköpfige, ohrlose Frau saß in Gedanken versunken vor der goldenen Koboldsuhr; die Kopfhaut zwischen Schläfen und Hinterkopf war glatt und speckig. Neben ihr ein junges Mädchen; ihr Schädel war zerborsten, drei parabolische Knochenstücke schoben sich unter ihrem Haar hervor, das einem Seemannsbart gleich um das von einer bösartigen Akne verunstaltete Gesicht wuchs. Ihnen gegenüber saß ein älterer Herr in einem moosgrünen Gabardineanzug und blätterte in einem Reader's Digest-Heft; er hatte drei Nasenlöcher, dafür fehlte ihm die Oberlippe, seine Zähne waren verschieden groß, aneinandergelehnt, durcheinandergeworfen wie Grabsteine nach einem Wirbelsturm. Und in der Ecke jenes geschlechtslose Wesen, das ins Leere starrte; es litt an ererbter Syphilis; die Knochen waren bereits dermaßen angegriffen, daß sie kaum noch zusammenhielten, daß das Profil des grauen Gesichts fast eine Gerade bildete, die Nase hing wie ein loser Hautfetzen herab, bedeckte fast den Mund, das Kinn war an der Seite eingedrückt, ein tiefer Krater, von dem tiefe Falten ausstrahlten, die Augen von derselben unnatürlichen Schwere geschlossen, die auch das übrige Profil abflachte. Esther, die noch nicht zu alt war, sich beeindrucken zu lassen, identifizierte sich mit ihnen allen. Eine Bestätigung dieses Gefühls des Draußen-Seins, das sie mit so vielen von der Ganzen Kaputten Bande ins Bett getrieben hatte.    - (v)

 

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