erbalerotiker
Es war ein heller Brief gewesen, keineswegs herrschte in ihm
das Dunkel, mit dem umzugehen mir allzu häufig nachgesagt wurde. - Ich hatte
gedroht, Marie zu überfallen ... offenbar deshalb, weil sie mich einmal einen
Verbalerotiker genannt hatte ... und ich hatte ihr das Geschehnis so
deutlich ausgemalt, daß ich inzwischen bezweifelte, es sei lediglich meiner
Vorstellungskraft entsprungen. - Eines Tages sei ich zu ihr hingefahren, ohne
mich zuvor angekündigt zu haben ... ich glaube, ich habe in dem Brief sogar
nachgefragt, ob sie sich ebenfalls noch an jenen sonnenhellen Nachmittag erinnern
könne ... in einem wirklichen Gespräch habe ich sie nie danach gefragt, woraus
wiederum meine Zweifel an der Wirklichkeit dieses Nachmittags resultieren ...
sie öffnete mir die Tür, und, nachdem wir kaum drei Sätze gewechselt hatten,
war ich in das Schlafzimmer nebenan gegangen und hatte ohne Überleitung gesagt,
sie möge sich ausziehen und auf das Bett legen ... völlig nackt, hatte ich gesagt.
Sie hatte es getan, widerspruchslos und noch ganz befangen von dem Überraschungsangriff,
den ich in einem merkwürdigen Befehlston vortrug. -
Wolfgang Hilbig, Der dunkle Mann. In: W.H., Der Schlaf der Gerechten.
Frankfurt am Main 2003
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