Fitzschwanz  Wer mag der Mann sein, der oben aus rotem Sandstein auf einem Stuhl sitzt? «Aleksander Fredro» steht an dem Denkmal. Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt das Wissen. Er muß schon lange tot sein, denn er hat keine Stahlfeder, sondern einen Federkiel, eine Gänsefeder zum Schreiben in der Hand. Er sieht, wie er dasitzt, bedeutungslos aus wie ein Schriftsteller. Ich denke; die Feder und der Name hätten genügt. Mit dem Stuhl, auf dem er sitzt, hat er sicher nicht geschrieben. Aber den Stuhl laß ich gelten. Der Stuhl gehört zu einem Schriftsteller, ist sein Organ wie der Sitzschwanz bei den Affen. Wenn alle Eigenschaften erblich wären, würden sicher die Kinder von Schriftstellern mit einem Sitzschwanz oder Stuhlhöckern am Gesäß geboren werden. Über den Mickiewiczplatz schallt Musik. Man bläst erstaunlich unpolnisch, schlecht.   - Alfred Döblin, Reise in Polen. München 1987 (zuerst 1925)

Sitzschwanz (2)  Aus der Nähe gesehen, waren die Männer dreibeinig, jeder innig mit seinem eigenen Parasiten verbunden, der ihn ständig begleitete und ihm als Stütze und Halt diente, eine Art von riesigem Blutegel oder Ringwurm, der auf seinen schnalzenden Lockruf leise rülpsend aus seinem Hintern herauskroch und sich bis in den Schlamm hinunterringelte, wo er sich wie ein Schröpfkopf festsaugte, sich aufblähte und bogenförmig spannte; ein Hilfsbein für das schwankende Geschöpf, das der Mensch damals war, so daß sie alle aussahen, als säßen sie im Stehen wie die Känguruhfamilien auf ihrem Schwanz, unruhig und sprunghaft, stets bereit, beim geringsten Alarm ins Wasser zu tauchen. Manche trugen noch die rudimentären Spuren von äußeren Kiemen. Alle hatten außerordentlich bewegliche Ohren, die sie unaufhörlich nach allen Richtungen drehten und wandten, doch am meisten aufs offene Meer hinaus, als erwarteten sie, von dort eine Bedrohung auftauchen zu sehen. Dorthin richteten sich auch alle Blicke. Ihre hervorquellenden, tagblinden Augen fixierten sämtlich einen im Nebel verschwimmenden Punkt: wie das Aufperlen im Mittelpunkt von konzentrischen, sanften Wellen, das leise Hervorsprudeln eines Quells aus seinem Ursprung. Ich glaubte in der geheimnisvollen Tiefe der Nacht etwas Unerschöpfliches quellen zu sehen, eine Gegenwart zu ahnen - doch das Gehaben der Frauen lenkte mich von der offenen See ab.

Die Frauen quollen alle von Hämorrhoiden über und standen auf ihren notgedrungen bis aufs äußerste gespreizten Beinen noch viel wackliger da als die Männer, denn ganze Trauben Fleisch, die fischlaichartig aus ihren Eierstöcken hervorwucherten, baumelten ihnen wie Quallen oder Seeanemonen zwischen den Beinen herum und juckten und bluteten. Sie kratzten sich unaufhörlich, sie rissen die Haut in ganzen Stücken, ganzen Säcken ab, in großen Blasen, die sie über Bord warfen wie die Früchte einer Fehlgeburt, formlose Gebilde, gallertartige Klumpen, die im Kielwasser der von Menschen überladenen schwimmenden Inseln zu schillern begannen, gelblich aufplatzten und einen Gestank nach Schwefelwasserstoff, nach faulen Eiern verbreiteten.

Die Stämme, die Sippen von Lemuren waren hier alle beisammen, jeder Klan wie eine Kolonie von quakenden Fröschen auf einem abgerissenen gigantischen Seerosenblatt zusammengepfercht, und so wurde die ganze Grasflotille von der kaum merklichen Strömung langsam aufs offene Meer hinausgetrieben.   - Blaise Cendrars, Sternbild Eiffelturm. Zürich 1982 (zuerst 1949)

 

Sitzen Schwanz

 

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