Schlafphase  Der Termin verging und nichts geschah. Vielleicht war dies der Moment, in dem seine Schlafphase eingesetzt hatte; er wußte es nicht, wahrscheinlich war es unerheblich, es war der Augenblick, von dem an alle Zeitbegriffe für ihn verwischt waren. Es hatte irgendwann in diesem Winter begonnen, vielleicht damit, daß die Vorladungen aufhörten, auf denen noch irgendwelche Zeitangaben zu finden waren, und damit, daß er dem saloppen Herrn in der gelbbraunen Wildleder]acke - inzwischen wußte er, daß dieser Herr der »Chef« war - nur noch, scheinbar zufällig, in den Straßen der Stadt begegnete. - W. schrieb in dieser Zeit mit einer Intensität, wie er sie noch nicht an sich gekannt hatte, Gedichte und kurze, ein- bis zweiseitige Prosaminiaturen; es waren Partikel, die ihm sozusagen im Halbschlaf aus der Feder fuhren, oder in Augenblicken der Gegenwehr, wenn sich etwas Unbekanntes in ihm auflehnte gegen die dumpfe Verfassung, die ihn sonst beherrschte. Es war tatsächlich etwas ihm Unbekanntes, er hatte keinen Ausdruck mehr dafür, die Auflehnung in ihm war ein Relikt aus jener Zeit, in der er noch ohne diesen Schlaf gelebt hatte. Und in der Tat spürte er sich den ganzen Tag über kaum, seine Mutter traf ihn fast nur noch zusammengebrochen an, in sitzender Haltung am Küchentisch, die Stirn auf den Unterarmen, vor den geschlossenen Augen seine wild beschriebenen Blätter, auf denen die Wörter kaum noch mehr als waagerecht fliehende Linien wären. Leise und händeringend ging sie hinter seinem Rücken vorbei; wenn er einmal hochfuhr, verscheuchte er sie mit fremder bellender Stimme, mit Schreien, die er selber nicht mehr verstand.

Im Betrieb war er eine bleiche übernächtigte Figur, unpünktlich, unzuverlässig, es waren ihm nicht mehr die einfachsten Aufgaben zuzumuten,- dabei war er aufsässig, unansprechbar, von einer abgespannten, hochempfindlichen Aggressivität, in der er an ein ewig gereiztes Insekt erinnerte.  - (ich)

Schlafen

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