Rentenhysteriker   Am 25. Dezember 1921 verstarb, 76 Jahre alt, in Hannover der „olle Haarmann".~ Manche Hannoveraner erinnern sich noch an das vermickerte, gnitterische, zänkische, immer übellaunige und übelnehmerische Männlein, als an das Urbild eines Krakehlers und mißwollenden Pfennigfuchsers. — — Hinter allen „Schürzen" war er her. Abendlich aber randalierte oder prahlte er in den alten Pinten, Kabakken und Kabuffs der Altstadt. Schon sein Vater war Querulant und Trinker gewesen. Und in der Familie gab es ebensoviel Erbbelastete wie in Zolas Familie Rougon-Macquart. Der „Olle Haarmann" war in seiner Jugend Lokomotivheizer; hatte aber den Dienst, darin er für unzuverlässig galt, 1886 verlassen, wegen eines angeblich im Betriebe erlittenen Unfalls, wobei sein Lokomotivführer zu Tode kam. Er prozessierte, ein typischer Rentenhysteriker, mit der Eisenbahndirektion, obwohl er eigentlich in ganz behaglichen Verhältnissen leben konnte. Denn durch eine Nutzheirat mit einer sieben Jahre älteren Frau, seiner am 5. April 1901 verstorbenen Ehefrau Johanne, geb. Claudius, waren ihm ein paar Häuser und ein kleines Vermögen in die Hände gekommen, so daß er in der „Gründerzeit" zum wohlhabenden Bürger geworden, fortan auskömmlich zu leben vermochte. — Er war ein wüster, zänkischer, kleinlicher, verschlagener Mensch, und sein unzufriedenes Wesen wurde unleidlicher noch, als er, in reifen Jahren syphilitisch geworden, seinen alten Frauenzimmergeschichten — (bald nach seiner Heirat schon nahm er mehrfach Maitressen ins Haus) — nicht mehr nachgehen konnte .  - Theodor Lessing, Haarmann. Die Geschichte eines Werwolfs. Berlin 1925
 
 

Hysterie, männliche Rentner

 

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