ropinquität   »Ich wollte sie zum Essen ausführen. Vielleicht zu einem Steak einladen oder so.«
Hoke schüttelte den Kopf. »Wie alt sind Sie, Tony?«
»Vierundzwanzig.«
»Wissen Sie, wie alt Sue Ellen ist?«
»Siebzehn. Hat sie mir gesagt.«
»Sie ist sechzehn. Gerdae mal sechzehn, und noch lange keine siebzehn.«
»Sechzehn? Siebzehn?« Tony zuckte die Achseln. »Was ist der Unterschied? Ich wollte sie bloß zum Essen einladen - ohne Scheiß.«
»Warum?«
»Sie ist ein hübsches Mädchen, und ich hab heute abend nichts anderes vor. Ich dachte bloß, daß - ah, ich verstehe! Sie dachten, ich -« Tony lachte. »Nein, Sergeant, ich will die Kleine nicht vögeln. Ich bin im Training, wissen Sie. Bis nach dem Kampf nächsten Monat kann ich so was gar nicht machen. Mein Manager würde mich umbringen - ohne Scheiß.«
»Aber nach dem Kampf würden Sie zur Sache kommen, oder?«
»Nach dem Kampf gehe ich zurück nach Cleveland.«
»Wissen Sie, was ›Propinquität‹ bedeutet, Tony?«
»Pro-profinquität? Na klar - ich bin Profi. Ich boxe jetzt seit fünf Jahren, Mann. Ich bin die Nummer zweiundzwanzig in der Zeitschrift Ring. Ohne Scheiß. Nummer zweiundzwanzig.«
»Nicht Profi. Propinquität. Das ist lateinisch. Es bedeutet enges Zusammensein. Wenn zwei Leute in Propinquität leben, dann heiraten sie irgendwann, verstehen Sie? Keine Propinquität, keine Hochzeit. Wenn man also Propinquität nur mit jemandem pflegt, den man auch heiraten wird, kann die Ehe nicht schlecht werden.«
»Ich will aber nicht heiraten, Mann. Ich war verheiratet, aber jetzt bin ich es nicht mehr. Ohne Scheiß.«
»Ich weiß, daß Sie nicht wieder heiraten wollen, Tony. Deshalb kann ich es nicht zulassen, daß es zwischen Ihnen und Sue Ellen zur Propinquität kommt. Sue Ellen darf nur dann mit einem Mann ausgehen, wenn er auch als Ehemann für sie geeignet ist, sonst nicht. Denn sehen Sie, ohne Propinquität gibt's auch keine Ehe. Und da Sie Sue Ellen nicht heiraten wollen und sie Sie auch nicht heiraten will, können Sie sie auch nicht zum Essen ausführen. Oder hier in der Lobby mit ihr reden oder sie auch nur wiedersehen. Verstanden?«
»Nun ja, ich will nicht heiraten, ohne Scheiß. Ich hab einen Jaguar draußen auf dem Parkplatz stehen, Mann. Ich finde immer ein Mädchen, das mit mir essen geht, ohne Scheiß. Sagen Sie ihr nur, ich war hier, um hallo zu sagen.«
Tony stand auf, Hoke ebenfalls.
»Nein, das werde ich ihr auch nicht sagen. Wenn ich es täte, würde ich damit vielleicht den Irrglauben in ihr wecken, Sie wollten etwas Propinquität mit ihr entwickeln. Am besten, Sie setzen sich in Ihren Jaguar, fahren weg und schlagen sich Sue Ellen aus dem Kopf.«
Tony bog die Schultern zurück und sah sich in der schäbigen Lobby um. »Diese Bude ist ein Dreckloch, Sergeant Moseley. Ohne Scheiß. Ich muß jetzt los.«
»Viel Glück bei Ihrem Kampf«
»Da brauch ich kein Glück, ohne Scheiß. Den Filipino mach ich in der dritten Runde alle.«
Hoke streckte die Hand aus. Tony Otero übersah sie und marschierte mit steifem Rücken auf die Doppeltür zu, ohne sich umzusehen. - Charles Willeford, Neue Hoffnung für die Toten. Berlin 2002 (zuerst 1985)
 
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