arlamentssitzung Die
Glocke läutete lang und schrill. Wieder begann der Staatssekretär zu sprechen.
Er sagte, zu den Vorfällen in S., auf die die Anfrage der Abgeordneten sich
bezog, habe die Regierung nichts zu sagen, da die gerichtliche Ermittlung im
Gange sei. Jedenfalls sei die Regierung der Ansicht, diese Vorfälle seien auf
gewöhnliche Kriminalität zurückzuführen. Sie weise darum die Deutung zurück,
die ihnen die anfragenden Abgeordneten gäben. Stolz und verächtlich weise die
Regierung die Unterstellung der Linksparteien in ihren Zeitungen zurück, daß
Mitglieder des Parlaments oder gar der Regierung auch nur die losesten Beziehungen
zu Angehörigen der sogenannten Mafia unterhielten, die nach Ansicht der Regierung
ohnehin ausschließlich in der Phantasie der Kommunisten existiere. Die inzwischen
von Abgeordneten dicht besetzte Linke erhob dröhnenden Protest, Ein hochgewachsener,
grauhaariger, beinahe kahler Abgeordneter stieg aus seiner Reihe hinab zur Regierungsbank.
Drei Ordner traten ihm entgegen. Er schrie dem Staatssekretär Beschimpfungen
zu, daß die beiden Zuschauer dachten: Das kommt zu einer Messerstecherei. Die
Glocke läutete wie närrisch. Wie eine Heuschrecke
sprang der Abgeordnete von rechts mit dem glattrasierten Kopf plötzlich mit
einem Satz mitten in den Saal. Andere Ordner liefen herbei, um ihn festzuhalten.
Er schrie seine Beschimpfungen nach links. In ganzen Wolken und Wogen wurde
ihm das Wort Idiot entgegengeschleudert und streifte seinen mächtigen Schädel
wie die Pfeile der Indianer den Kopf Buffalo Bills. Hier müßte ein Carabinieribataillon
her, dachten die beiden. Und zum erstenmal in ihrem Leben waren sie geneigt
zuzugeben, daß die Carabinieri zu etwas taugten. -
Leonardo Sciascia, Der Tag der Eule. Zürich 1991
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