ichte  Gestatten sie, daß ich ihnen meine nichte Carmilla vorstelle, sagt der graf zu seinen englischen gästen. Über die große treppe der kerzenerleuchteten ahnenhalle schreitet Carmilla herab. Ihr blondes haar liegt in einer strengen frisur, sie trägt ein schokoladengraues abendkleid, moderduft umfließt sie wie ein seltenes parfum, man weiß nicht: ist es wirklich moder oder eine seltene, ausländische droge.  - H. C. Artmann, Drakula Drakula. Ein transsylvanisches Abenteuer. In: H.C.A., Schauerromane. München 1997 (zuerst 1965)

Nichte (2)  DOROTHY (›Dolly‹) WILDE (›Doll‹ oder ›Dolly Furious‹), die Nichte von Oscar Wilde, deren Vater Willie zu den Besuchern des Londoner Salons von Djuna Barnes' Großmutter Zadel gehörte, kam während des Ersten Weltkrieges als Zwanzigjährige nach Paris und lernte 1924 Natalie Barney kennen. Daß sie neben Romaine Brooks und der Herzogin Lily de Gramont die dritte große Liebe in Natalie Barneys Leben wurde, hängt nicht nur mit ihrer ungewöhnlichen Ausstrahlung zusammen, sondern sicher auch damit, daß Natalie Barney, die sich keinem Schriftsteller so seelenverwandt fühlte wie Oscar Wilde, vom Klang ihres Namens ebenso magnetisch angezogen wurde wie vom alten amerikanischen Geldadel und der feinsten europäischen Aristokratie. In Natalie Barneys Damensammlung kam Dolly Wilde ein bevorzugter Platz zu. Ihr gegenüber war die ansonsten in Liebesdingen eher nüchterne Natalie sogar zu ungewöhnlichem Entgegenkommen bereit. Sie tolerierte Eskapaden, die sie anderen Freundinnen nicht verziehen hätte, bezahlte Dollys zahlreiche Krankenhausaufenthalte und Entziehungskuren und schickte nach den Selbstmordversuchen der Freundin jedesmal die treue Haushälterin Berthe Cleyrergue, die dann Tag und Nacht am Krankenbett wachte.

Natalie Barney, die Wert darauf legte, allein zu schlafen und nie über längere Zeit Gäste in ihrem Haus beherbergte, stellte Dolly trotzdem mehrere Monate ihr Gästezimmer zur Verfügung. Die Liaison nahm sie zeitweilig so in Anspruch, daß Romaine Brooks Dolly in einem Brief als Ratte bezeichnete, die an den Grundfesten ihrer Freundschaft nage, und sie verlangte von Natalie, sich von Dolly zu trennen.

»Natalie Barney bewunderte an Dolly Wilde ihre Art, sich an allem zu vergnügen und ihre Fähigkeit, wie ihr Onkel Oscar Menschen zu unterhalten. Dolly ist Meisterin im Improvisieren von Festen, und sie ist die Spaßmacherin der kleinen Gesellschaft, die sich jeden Sommer in Beauvallon einfindet«, schreibt Jean Chalon, der französische Biograph Natalie Barneys. Dolly nannte sich gern ›Oscaria‹ und pflegte in Anspielung auf ihren berühmten Onkel zu sagen: »Ich bin ein besserer Oscar als er selber«. - Nachwort zu (ladies)

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