Aus der Meeresode
Schiffe, die in die Reede einlaufen, Schiffe, die aus den
Häfen ausfahren, Schiffe, die fern vorüberziehen, (ich stelle
mir vor, ich sah' sie von einem verlassenen Sttand aus) all diese
Schiffe, fast abstrakt auf ihrer Fahrt, all diese Schiffe bewegen
mich so, als waren sie etwas anderes und nicht nur Schiffe, Schiffe
bei Ankunft und Abfahrt.
Und die Schiffe, von nah betrachtet, auch wenn man sich nicht
darauf einschifft, von unten, von Booten gesehen, hohe Mauern
aus Platten, von innen, durch Säle, Kabinen und Vorratsräume,
die Masten, von nah betrachtet, wie sie nach oben spitz zulaufen, durch
Taue streifend, unbequeme Leitern abwärts steigend, die eingeriebene
Mischung aus Meer und Metall im Geruch - die Schiffe, von nah
betrachtet, sind anders und doch das Gleiche verleihen dieselbe
Sehnsucht, dasselbe Verlangen auf andere Weise.
Das ganze Leben auf See! Alles im Leben auf See! All diese
feine Verführung schleicht in mein Blut, und unschlüssig wälze
ich Reisepläne. Ach, die Linien entlegener Küsten, abgeplattet
vom Horizont! Ach, die Kaps, die Inseln, die sandigen Strande! Die
Meereseinsamkeit wie gewisse Augenblicke im Pazifik, worin ich
weiß nicht dank welch' auf der Schule erlernter Empfindung auf
den Nerven die Kenntnis lastet, daß er der größte der Ozeane, und
die Welt, der Geschmack der Dinge zur Wüste in unserem Inneren
werden! Die menschlichere, inselbesätere Ausdehnung des Atlantik!
Der Indische, aller Ozeane geheimnisvollster! Das Mittelmeer,
süß und rätsellos, klassisch, ein Meer, um unversehens auf Terrassen
zu stoßen, die weiße Statuen aus nahen
Gärten beäugen! Alle Meete, alle Meerengen,
alle Buchten und alle Golfe, ich möchte sie an die Brust drücken,
tief erfühlen und sterben!
Und ihr, Schiffsteile, mein altes Traumspielzeug! Außer mit
seid ihr und doch mein inneres Leben I Kiele, Masten und Segel,
Takelung, Steuerräder, Dampferschornsteine, Schrauben, Mastkörbe,
Wimpel, Steuerreeps, Luken, Kessel, Schotten, Generatoren, Ventile, fallt
in mich ein als Haufen, als Berg, wie der verworrene Inhalt einer
über den Boden verstreuten Schublade! Seid
ihr der Schatz meines fiebrigen Geizes, seid ihr die Früchte
vom Baum meiner Einbildungskraft, Thema meiner Gesänge, Blut
in den Adern meines Verstandes, sei euer das Band, das mich
der Außenwelt durch Ästhetik verknüpft, versorgt mich mit Metaphern,
Bildern, Literatur, denn wirklich und wahrhaftig, ernstlich,
wörtlich: meine Empfindungen sind ein Kahn mit umgestürztem
Kiele, meine Einbildungskraft ein halb versunkener Anker, mein
Trieb ein geborstenes Ruder, und das Geweb meiner Nerven ein
trocknendes Netz am Strande!
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