ntimität    »Weißt du«, sagte er in vertraulichem Tonfall, »ich glaube, daß fast jeder mal gelegentlich mit den Zehen wackelt. Die Vorstellung, daß Keats oder Shelley oder Lord Byron es getan haben, ist nicht gerade hübsch, aber sie müssen es getan haben. Selbst dein rührseliger Kinoheld tut es. Ich möcht wetten, er wackelt mit seinen preisgekrönten Zehen.«

»Vielleicht tut er das«, gab Sally zu, »aber er läßt ganz bestimmt nicht einen Haufen sich windender Knallfrösche seiner Frau buchstäblich ins Gesicht explodieren.«

Langsam stahl sich ein Lächeln auf Tims Lippen und setzte sich zu einem Grinsen fest.

»Ich bin anders«, erklärte er aufreizend. »Großherziger als er. Ich zieh dich ins Vertrauen.«

»Es gibt gewisse kleine Intimitäten, die selbst nach fünf Ehejahren genausogut verborgen bleiben könnten«, entgegnete Mrs. Willows. »Ich mag keine Zehen und hab sie noch nie gemocht. Ich kann den Gedanken an Zehen nicht ertragen, geschweige denn den Anblick.«

»Aber ich habe dich doch nicht darum gebeten, an meine Zehen zu denken«, bemerkte Tim mit jener sanften, vernünftigen Stimme, mit der man gemeinhin Ehefrauen in den Wahnsinn treibt. »Ich kann sehr wohl an meine eigenen zehn Zehen denken.« »Aber was soll ich denn machen, wenn du mir mit diesen gräßlichen Dingern vor den Augen rumwedelst?« Ein tragischer Unterton hatte sich in Sally Willows Stimme geschlichen. »Der Jammer mit dir ist«, fuhr Tim nachdenklich fort, »daß du eine Phobie gegen Zehen hast. Du erlaubst ihnen deine Gedanken zu beherrschen. Sie überwältigen dich. Nimm jetzt beispielsweise mal diese Zehen hier. Schau sie an.«

»Ich werde diese Zehen nicht nehmen«, protestierte Sally leidenschaftlich. »Nimm du diese Zehen und schaff sie mir aus den Augen. Stopf sie in deine Slipper. Abgesehen davon hege ich nicht den geringsten Wunsch, mich von dir in eine lange Diskussion über deine Zehen oder einen sonstigen Teil deiner elenden Anatomie verwickeln zu lassen. Gibt es denn keinen Duft und Wohl-geruch mehr im Leben? Keine Romantik? Muß ich denn den ganzen Abend hier sitzen, ohne daß meine Gedanken mal über das Niveau deiner krabbengleichen Zehen hinauskommen?« »Oh, schon gut. Schon gut«, stimmte Tim hastig zu, der anhand vergangener Erfahrungen erkannte, daß das Maß fast voll war. »Kein Wort mehr über Zehen.«

Er riß sich den anderen Socken herunter, steckte seine Füße in seine Slipper, kämpfte sich aus dem Sessel hoch und marschierte nackt durchs Zimmer. - Thorne Smith, Verkehrte Welt. Frankfurt am Main 1987 (zuerst 1933)

 

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