ynokratie Unser Haus, durch welches tagsüber das Wehen, Sausen und Funkeln der heißen Sommertage zu den offenen Fenstern hereindrang, bewohnte ein neuer Mieter, ein winziges, greinendes, quietschendes Geschöpf, das Söhnchen meiner Schwester. Es brachte eine Art Rückkehr zu primitiven Verhältnissen über das Haus und schraubte die soziologische Entwicklung auf die Nomaden- und Haremsatmosphäre des Matriarchats zurück. Ein Lagerieben mit Betten, Windeln und ewigem'Waschen und Trocknen von Wäschestücken griff um sich, ein Nachlassen der weiblichen Toilettensucht, die plötzlich nach ausgiebigen Entblößungen von geradezu vegetativ unschuldigem Charakter verlangte, machte sich bemerkbar; der säuerliche Geruch des Säuglingszeitalters und milchgeschwollener Brüste stand im Raum.
Die Schwester fuhr nach dem schweren Wochenbett ins Bad, der Schwager
erschien lediglich zu den Mahlzeiten, und die Eltern weilten bis in die
Nacht hinein im Laden. Das Haus geriet unter die Herrschaft einer Kinderfrau,
deren expansive Weiblichkeit sich noch vervielfältigte und die alle Maßnahmen
aus ihrer Rolle als Nährmutter ableitete. Im Gefühl dieser majestätischen
Würde drückte sie dem ganzen Haus durch ihre breite und gewichtige Existenz
das Siegel der Gynokratie auf, die zugleich die Überlegenheit einer satten
und üppigen, in weiser Steigerung zwischen ihr selber und zwei Dienstmägden
verteilten Körperlichkeit war, denen jede Tätigkeit erlaubte, die ganze
Skala ihrer autarken Weiblichkeit wie einen Pfauenfächer zu entfalten.
Auf das stille Blühen und Reifen des Gartens voll Blattgeflüster, Silberglanz
und Schattenversunkenheit antwortete unser Haus mit dem Aroma von Weiblichkeit
und Mutterschaft, das über der weißen Wäsche und dem blühenden Fleisch
schwebte, und wenn sich um die erschreckend grelle Mittagsstunde alle Vorhänge
an den sperrangelweit geöffneten Fenstern entsetzt blähten und alle an
den Leinen hängenden Windeln als leuchtendes Spalier aufstanden, schwebten
durch den ganzen weißen Alarm der Waschefahnen und Leintücher über und
über gefiederte Samenkörnchen, Stäubchen, verlorene Blättchen, und der
Garten ging mit dem Überschwang seiner Lichter und Schatten, mit der Prozession
seines Rauschens und Sinnens langsam durch das Zimmer, als hatten sich
zu dieser Stunde Pans alle Hindernisse und Wände devongemacht und durch
die ganze Welt zöge in der Ebbe der Gedanken und Gefühle der Schauder einer
allumfassenden Einheit. Die Abende dieses Sommers verbrachte ich im Kino
des Städtchens. -
Bruno Schulz, Die Julinacht. In: B. S., Die Zimtläden und alle anderen Erzählungen.
München 1966
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