ingeweide
Träumt man, sein Leib
sei aufgeschnitten und man erblicke seine Eingeweide, jedes natürlich gewachsen
und in der richtigen Lage, so ist das für einen Kinderlosen und einen Armen
ein gutes Vorzeichen; der eine wird eigene Kinder, der andere eigenes Hab und
Gut zu Gesicht bekommen. Denn die Kinder nennt man Eingeweide wie sein Inneres,
und wie das Haus Hab und Gut birgt, so sind die Eingeweide zwischen den Hüften
geborgen. Einem Reichen und jedem, der unentdeckt zu bleiben trachtet, zeigt
es Schande und Überführung an. Unheil droht jedermann, falls die Eingeweide
von einem Fremden betrachtet werden; es deutet das Bevorstehen übler Rechtsstreitigkeiten
und Prozesse an und bringt Verborgenes zutage. Schaut man seinen Leib aufgeschnitten
und im Innern leer und keines der Eingeweide an seinem Platz, so droht dem Haus
des Träumenden Verödung, dessen Kindern Verderben und einem Kranken der Tod.
- (
art
)
Eingeweide (2) Louis
Chevalier, der Autor von L 'Assassinat de Paris, hat vielleicht
nicht unrecht, wenn er im »Loch der Hallen« ein Herausreißen des geheimen Herzens
der Hauptstadt sieht. Ein Herz, das gewiß voller Unrat war, aber aus dem sich
bei Nacht zu vorgerückter Stunde ein Duft schweren und blutrünstigen Gaunertums
über die Stadt erhob, der unter allen Essenzen seines bunt zusammengewürfelten
Parfüms der ausgefallenste Geruch war. Der intime Geruch einer Stadt, die sich
um ein unentwirrbares Knäuel gärender Därme herum aufgebläht hat und deren mittelalterlicher
Kern von den Fleischhauer- und Innereienhändlerstraßen gebildet wurde, aus denen
in jedem Augenblick der Aufruhr hervorkriechen konnte, mit blutverschmierten
Armen schon bevor er überhaupt ausgebrochen war. Hier lag, mitten in der Stadt,
ein sicherlich gräßliches Eingeweide, das jedoch durch so viele Nerven und Gewebebänder,
Blutgefäße und Speisekanäle mit seiner Lebenssubstanz verbunden war, daß die
langfristigen Folgen seiner Entfernung problematisch bleiben werden. -
(
grac
)
Eingeweide (3)
Zwei Männer tauchten auf, die einen riesigen, auf einen Stab gespießten
Fisch trugen. Sie gingen mehrmals um den Hof herum, warfen dann ihre Last ab.
Sie schauten Trelkovsky direkt in die Augen. Ohne zu sehen, was sie taten, nahmen
sie den Fisch aus. Die Eingeweide sammelten sich an, rasch bildete sich ein
kleiner Haufen neben ihnen. Da lachten sie fröhlich und schmückten sich damit
die Haare. Sie flochten sich Kronen aus den Gedärmen des Fisches, sie hängten
sie sich an die Ohren und um den Hals. -
Roland Topor, Der Mieter. Zürich 1976 (detebe 20358, zuerst 1964)
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