ervelat Nach der dritten Mahnung bekam der Polizist Lustenwyler den Befehl, die Exekution zu vollziehen. Er nahm sein Dienstgewehr von der Wand, fuhr mit dem Jeep bis zur Straßenkreuzung und trottete zum Dorf hinauf. Am Dorfeingang stand der Gemeindepräsident, auch mit einem Gewehr unter dem Arm. Neben ihm saß Mani. Lustenwyler blieb stehen, überlegte. Eigentlich müßte er auf den Hund zielen, aber der Gemeindepräsident könnte dann auf ihn zielen. Lustenwyler überlegte. Es war die Frage, ob er überhaupt auf den Hund schießen durfte, weil der Hund neben dem Gemeindepräsidenten saß, und wenn er diesen traf statt jenen -? Lustenwyler überlegte. Ob es für diese Fälle ein Polizeireglement gab? Er hatte ein vages Gefühl, es gebe ein Pohzeireglement für ähnlich gelagerte Fälle. Aber was waren das für Fälle? Lustenwyler wußte es nicht. Nun standen sie sich schon eine Stunde gegenüber, er, der Gemeindepräsident und der Hund. Lustenwyler bekam Hunger. Er nahm eine Cervelat aus der Seitentasche und begann zu essen. Der Hund wedelte mit dem Schwanz. Lustenwyler griff wieder in die Seitentasche und warf dem Hund eine Cervelat zu, das ziemte sich, weil er ihn ja erschießen mußte. Der Gemeindepräsident griff in die Seitentasche und entnahm ihr auch eine Cervelat. Alle drei aßen Cervelat. Der Gemeindepräsident, der Hund und der Polizist. Der Hund am schnellsten. Lustenwyler wußte immer noch nicht, wie er den Hund erschießen könnte.
Nun standen sie sich schon zwei Stunden gegenüber. Wenn er den Gemeindepräsidenten
aufforderte, zur Seite zu treten, durfte er nicht gleichzeitig auf den Hund
zielen, denn zielte er gleichzeitig, zielte auch der Gemeindepräsident gleichzeitig,
aber auf ihn, und schössen sie gleichzeitig, könnten gleichzeitig er, Lustenwyler,
und der Hund erschossen werden, er, Lustenwyler, stürbe dann zwar in Ausübung
seiner Pflicht, aber von einer Pflicht, für das Erschießen eines Hundes zu sterben,
hatte er noch nie gehört, ein Hund war kein Vaterland. Wenn er aber den Gemeindepräsidenten
aufforderte, zur Seite zu treten, ohne auf den Hund zu zielen, und der Gemeindepräsident
träte zur Seite, ohne auf ihn zu zielen, könnte er erst nachher auf den Hund
zielen, aber weil der Hund schnell war, könnte der Hund ihn packen, bevor er
den Hund erschießen könnte. Nun standen sie sich schon drei Stunden gegenüber.
Lustenwyler trottete zum Jeep zurück. - Friedrich Dürrenmatt, Durcheinandertal. Zürich
1998
|
||
|
||