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polo
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Boden
(2) Plötzlich glaubte ich zu spüren, von welcher Art der
Boden war, auf dem ich ging: keineswegs war es fester Untergrund
. . . und es war vielleicht nicht einmal Erde zu nennen, worauf ich die Füße
setzte, diese Materie, die sich da unter meinem Schritt krümmte und manchmal
mit hohlem Widerhall in der Tiefe zu seufzen schien. War nicht der Begriff Erde
nur aufgrund einer schamhaften Übereinkunft entstanden, war es nicht ein Substantiv,
das die wahre Beschaffenheit der Stoffe verschwieg . . . war nicht der Gebrauch
der Substantive in beinahe jedem Fall ein Verschweigen der eigentlichen Substanzen
der Dinge: und war dies Verschweigen nicht so wesentlich für uns, daß es zum
Grundstoff unseres Denkens geworden war? Worüber schritten wir denn tatsächlich
hinweg: über Verschwiegenes, über Verschwundenes, über die Grundsubstanz unserer
selbst, über das Schweigen in unseren Gedanken. Über unser Schweigen, das wir
verschwiegen ... es federte in einer Spannung unter mir, die manchmal zuckte,
manchmal war mir, ich eile über gespannt lauschenden Trommelfellen voran . .
. Fleisch tickte unter mir, ich glaubte es zu spüren, wenn ich die Erde anrührte
mit meinem zu späten Schritt, Säfte verteilten sich
unter mir, während ich mich zu ungerührtem Schlenderschritt zwang. - Wolfgang Hilbig, Alte Abdeckerei. Frankfurt am Main 1991
Boden (3)
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