Diese Stute interessierte Mr. Lamb. Merkwürdigerweise. Gleichzeitig warnte ihn etwas, Vorsicht walten zu lassen. Die Stute versprach nichts Gutes. Mr. Lamb folgte ihr nach. Eines ließ ihn nicht los: Er versuchte sich zu erinnern, welches Bild die Stute in ihm wachrief. Irgendwas um die Augen. Wessen Augen waren das ?
Als er die Stute eingeholt hatte, blickte er gedankenverloren in ihre Augen. Schmachtend erwiderte sie seinen Blick und rieb ihre Nase an der seinen. Gekränkt wich er zurück. Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Diese leidenschaftliche Kreatur hatte denselben Ausdruck in den Augen wie Sappho, seine Ehefrau, als sie in den Armen von Leonard Gray ihre Kunst entfaltete. Durch die Zurückweisung ihrer ersten Anbändelei in keiner Weise abgeschreckt, zog die Stute ihre Kreise um Mr. Lamb, kam immer dichter, bis sie schließlich neben ihm stand. Mit einernmal drehte sie den Kopf, biß ihm in den Hals und stürmte davon.
Well, wenn sie denkt, daß ich jetzt hinterherkomme, dachte Mr. Lamb, dann
hegt sie auch noch andere Gedanken... Die sind doch alle gleich. Diese Stute
hat es sich in den Kopf gesetzt, mich in eine kompromittierende Situation zu
bringen. - (
lam
)
Blick,
frecher (4) Meine nächste Adresse: Julia Pelz. Frau Pilgrim.
Frau Pelz-Pilgrim. Auf den Photographien stand sie immer so neben ihrem Mann,
als stimme sie ihm zu. Nicht ganz ohne freundliche Herablassung. Aber vielleicht
blitzte dieser hübsche Spott immer in ihren Augen, und da man sie meistens mit
ihrem Mann sah, glaubte man, der sei der Anlaß dieses immer ein bißchen frechen
Blicks. Ja, das war ihr Blick, frech, nicht spöttisch. Aber ganz schön frech.
Liebenswürdig frech. Der Professor, der sie, als PILGRIM-Autor, öfter direkt
erlebte, hatte gesagt, sie sei immer so angezogen, als wäre sie gerade vom Pferd
gesprungen. Er hat gesagt: gesprungen. - Martin Walser, Tod eines Kritikers. Frankfurt
am Main 2002
|
||
|
||