lau Der
alte Lord starb und Lady Helena wurde alt und taub, aber immer noch segelte
sie weiter. Da begab es sich, daß ihr ein Händler eines Tages, nach der Plünderung
des Sommerpalastes des Kaisers von China, einen sehr alten blauen Krug brachte.
Im Augenblick, da sie ihn sah, stieß sie einen schrecklichen Schrei aus. >Da
ist es!< schrie sie. >Ich habe es endlich gefunden. Dies ist das richtige
Blau. Oh, wie es einen leicht macht. Oh, es ist so frisch wie eine Brise, so
tief wie ein großes Geheimnis, so voll wie - ach, ich kann es nicht sagen.<
Mit bebenden Händen hielt sie den Krug an ihre Brust gepreßt und saß sechs Stunden
lang in seine Betrachtung versunken da. Dann sagte sie zu ihrem Arzt und zu
ihrer Gesellschafterin: >Nun kann ich sterben. Und wenn ich tot bin, sollt
ihr mein Herz herausschneiden und es in den blauen Krug legen. Denn dann wird
alles wieder sein, wie es damals war. Alles um mich herum wird blau sein, und
inmitten dieser blauen Welt wird mein Herz unschuldig und frei sein, und wird
sanft schlagen, wie das Kielwasser eines Bootes, das singt, wie die Wassertropfen,
die von einem Ruderblatt fallen.< Ein wenig später fragte sie die beiden:
>Ist es nicht köstlich zu denken, daß alles, was je gewesen ist, zu uns zurückkehren
wird, wenn man nur Geduld hat?< - Tania Blixen, Wintergeschichten. Reinbek
bei Hamburg 1989
BLAU (2) ist
eine kalte Farbe, entfernt sich vom Betrachter; in einem blauen Kreis versinkt
das Auge in einer konzentrisch zurückweichenden Bewegung. Blau vertieft und
steigert sich bei Verdunkelung, ruft den Menschen ins Unendliche, in übersinnliche
Tiefe und Ruhe. Aufgehellt wird es gleichgültig, indifferent, weit vom Menschen.
Die Stufen des Blau sind ähnlich den Instrumenten Flöte, Cello, Baßgeige, Orgel.
Gelb bekommt bei Abkühlung durch Blau sofort grünlichen
Ton, wirkt kränklich und übersinnlich. Die entgegengesetzten Bewegungen von
Blau und Gelb heben sich schließlich auf in der Ruhe des reinen GRÜN.
- Wassily Kandinsky, nach: Walter Hess (Hg.), Dokumente
zum Verständnis der modernen Malerei. Reinbek bei Hamburg 1964 (rde 19)
Blau (3) Da
wäre vielleicht eine Befreundung für Blau, welch Glück, welch reines Erlebnis!
Man denke alle die leeren, entkräfteten Bespielungen, die suggestionslosen Präambeln
für dies einzige Kolorit, nun kann man ja den Himmel von Sansibar über den Blüten
der Bougainville und das Meer der Syrien in sein Herz beschwören, man denke
dies ewige und schöne Wort! Nicht umsonst sage ich Blau. Es ist das Südwort
schlechthin, der Exponent des ,ligurischen Komplexes', von enormem ,Wallungswert',
das Hauptmittel zur Zusammenhangsdurchstoßung-',
nach der die Selbstentzündung beginnt, das ,tödliche Fanal', auf das sie zuströmen,
die fernen Reiche, um sich einzufügen in die Ordnung jener ,fahlen Hyperämie'.
Phäaken, Megalithen, lernäische Gebiete - allerdings Namen, allerdings zum Teil
von mir sogar gebildet, aber wenn sie sich nahen, werden sie mehr. Astarte,
Geta, Heraklit - allerdings Notizen aus meinen Büchern, aber wenn ihre Stunde
naht, ist sie die Stunde der Auleten durch die Wälder, ihre Flügel, ihre Boote,
ihre Kronen, die sie tragen, legen sie nieder als Anathemen und als Elemente
des Gedichts. - Gottfried Benn, Probleme der Lyrik
(1951), in: G.B., Essays, Reden, Vorträge. Wiesbaden 1965
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