Bellizist  

Meines Bruders TOBY  Rechtfertigung seiner
Grundsätze und Aufführung in Betreff seines
Wunsches, den Krieg fortzuführen.

Ich darf ungescheut sagen, ich habe diese Schutzrede meines Onkels Toby wohl hundertmal überlesen und erachte sie für ein so treffliches Muster einer Verteidigung, - und sie bescheinigt seinem Wesen eine so holde Mischung aus Ritterlichkeit und rechtschaffenen Grundsätzen, daß ich sie der Weit Wort für Wort, (mit Einschiebseln und allem Drum und Dran) so hersetze, wie sie mir vorliegt.

Meines Onkel TOBY'S Schutzrede.

ICH weiß wohl, Bruder Shandy, daß wenn ein Mann, dessen Handwerk die Waffen sind, den Krieg wünscht, so wie ich's getan, - dies vor der Welt ein übel Ansehen hat; — und daß, wie billig und lauter seine Beweggründe und Absichten auch immer sein mögen, - er einen unbehaglichen Stand hat, wenn er sich vom Anwurf eigennütziger Zwecke zu entlasten sucht.

Aus dieser Ursache wird ein Soldat sich also hüten, wofern er umsichtig ist, was er ja immerhin sein kann, ohne daß es seine Tapferkeit darob um ein Jota schmälert, seinen Wunsch in Hörweite eines Feindes kundzutun; denn einerlei, was er auch sagt, ein Feind wird ihm nicht glauben.

— Selbst bei einem Freunde wird er sich damit vorsehen, - auf daß er nicht in dessen Achtung sinke: — Doch wenn sein Herz überladen ist, und ein heimlicher Stoßseufzer nach Waffen sich durchaus Luft verschaffen muß, so wird er ihn für das Ohr eines Bruders sparen, der sein Wesen von Grund auf kennt und der weiß, welches seine wahren Ansichten, Gesinnungen und Ehrbegriffe sind: Wie ich mich in alledem erzeigt zu haben hoffe, Bruder Sbandy, geziemte mir nicht zu sagen: — weit schlechter, des bin ich gewiß, als ich's hätte tun sollen, - und ein wenig schlechter, mag sein, als ich vermeine: Aber so, wie ich bin, mußt du, mein lieber Bruder Sbandy, der du an denselben Brüsten wie ich gesogen, - mit dem ich von meiner Wiege an auferzogen worden, - und dem ich von den ersten Stunden unserer Knabenspiele an bis zu diesem Augenblick nie eine Handlung meines Lebens und kaum einen Gedanken darin verhohlen habe — So, wie ich bin, Bruder, mußt du mich endlich wohl kennen, mit all meinen Fehlern und Schwächen dazu, entspringen sie nun meinem Alter, meiner Gemütsart, meinen Leidenschaften oder meinem Verstande.

So sage mir denn, mein lieber Bruder Shandy, was dir Veranlassung schuf, als ich den Frieden von Utrecht verurteilte und bedauerte, daß der Krieg nicht noch ein wenig länger heftig fortgeführt worden sei, zu denken, dein Bruder tue solches aus unwerten Motiven; oder daß er, in seinem Wunsch nach Krieg, so verderbt sei, sich zu wünschen, es möchten noch mehr seiner Mitgeschöpfe erschlagen, - noch mehr zu Sklaven gemacht und noch mehr Familien aus ihren friedvollen Behausungen vertrieben werden, bloß um seines Vergnügens willen: — Sage mir, Bruder Shandy, wo liegt meine Schuld, daß du diesen Schein von mir gewinnst? [Den Kuckuck weiß ich, wo deine Schuld liegt, lieber Toby, ich weiß bloß, wo dein Schuldschein liegt über die einhundert Pfund, so ich dir gelieben, damit du deine vermaledeiten Belagerungen fortsetzen konntest.]

Wenn ich schon als Schulknabe keine Trommel schlagen hören konnte, ohne daß mir das Herz im Leibe schneller schlug -war's da meine Schuld ? — Pflanzte ich mir diese Neigung ein ? — Schlug ich darinnen den Alarm, oder tat's die Natur?

Als Guy, Graf von Warwick, und Parismus und Parismenus, und Valentine und Orson und Die sieben Kämpen von Engelland in der Schule von Hand zu Hand gingen, - waren sie da nicht alle von meinem Taschengelde bezahlt? War das eigennützig von mir gehandelt, Bruder Shandyl Als wir von der Belagerung Trojas lasen, die zehn Jahre und acht Monate wahrte, — wiewohl die Stadt mit einem solchen Artillerietrain, wie wir ihn vor Namur hatten, in einer Woche hätte genommen werden können - war ich da nicht ebenso betrübt ob des Verderbens der Griechen und Trojaner wie jeder Knabe in der ganzen Schule? Bekam ich nicht drei Schläge mit dem Lineal, zwei auf meine rechte Hand und einen auf die linke, weil ich Helena drum eine Metze geheißen? Vergoß wohl einer von euch mehr Tränen um Hektor? Und als König Priamus ins Lager kam, um den Leichnam seines Sohnes zu erflehen, und weinend ohne ihn nach Troja heimkehrte, - da weißt du's, Bruder, daß ich das Mittagessen nicht herunterbrachte. ----

—  Erzeigte ich mich damit fühllos? Oder, Bruder Shandy, weil mein Blut nach dem Feldlager hinwallte und mein Herz nach Krieg lechzte, - war dies ein Beweis, daß es sich nicht auch um das Elend des Krieges härmen könne?

O Bruder! 's ist ein Ding für den Soldaten, Lorbeer zu sammeln, - und ein anderes ist's, Zypressen zu streuen. — [Wer sagte dir denn, mein lieber Toby, daß sich die Alten bei Trauerfällen der Zypressen bedienten?]

—  's ist ein Ding, Bruder Shandy, für einen Soldaten, sein Leben dran zu wagen - voran in den Laufgraben zu springen, wo er gewiß in Stücken gehauen wird: — 's ist ein Ding, getrieben von Gemeinsinn und Durst nach Ruhm, als erster in die Bresche zu dringen, - im vordersten Glied zu stehen und unter Trommelwirbel und Trompetenschall und mit fliegenden Fahnen mutig voranzumarschieren: — 's ist ein Ding, sag' ich, Bruder Shandy, dies zu tun, und ein andres ist's, der Leiden des Krieges zu gedenken;-die Verwüstung ganzer Länder ins Auge zu fassen und die unsäglichen Strapazen und Entbehrungen zu erwägen, welche der Soldat, das Instrument, das diese Verheerungen wirkt, gezwungenermaßen (für sechs Pence täglich, wenn er sie überhaupt bekommt) auf sich nehmen muß.

Muß man mir sagen, lieber Yorick, wie Ihr's in Le Fever's Leichenpredigt getan, Daß ein so sanftes und edles Geschöpf wie der Mensch, geboren zur Liebe, zur Barmherzigkeit und zur Güte, hierfür nicht bestimmt sei? — Allein, warum fügtet Ihr nicht hinzu, Yorick, - nicht bestimmt von der NATUR - wohl aber von der NOTWENDIGKEIT?

— Denn was ist der Krieg? was ist er, Yorick, wenn er, wie in unserm Falle, aus Grundsätzen der Freiheit und aus Grundsätzen der Ehre geführt wurde — was ist er andres als der Zusammenschluß ruhiger Menschen ohne Harm, um mit dem Schwerte in der Hand die Ehrgeizigen und Unruhestifter in ihre Schranken zu weisen? Und der Himmel ist mein Zeuge, Bruder Shandy, daß das Vergnügen, so ich an diesen Dingen empfunden, - und sonderlich das unendliche Ergetzen, das meine Belagerungen auf dem ßoßelplatz begleitete, bei mir, und wie ich hoffe, auch beim Korporale, aus unserer gemeinsamen Überzeugung entsprang, daß wir mit ihrer Durchführung den großen Zweck unseres Daseins erfüllten.    - Laurence Sterne, Leben und Ansichten des Tristram Shandy, Gentleman. Übs. Michael Walter. Frankfurt am Main 2010

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