rtistenporträt
Er war neunzehn, ich einundzwanzig. Eines langweiligen grauen Frühlingsabends
kam er an, und er war ebenso nervös wie ich. »Schön, Sie nach all diesen Briefen
kennenzulernen. Haben Sie die Gauguins gesehen?« (Er erzählte mir später, daß
er die Bemerkung über die Gauguins den ganzen Weg von Swansea her vorbereitet
hatte, und nachdem er sie losgeworden war, fühlte er, daß er sich seiner Verantwortung
zur Erzeugung einer gebührend kulturellen Atmosphäre entledigt hatte.) Er war
sehr klein und leicht. Unter einem Regenmantel mit ausgebeulten Taschen, von
denen eine eine Literflasche Brandy enthielt, eine andere einen verkrumpelten
Haufen Gedichte und Geschichten, trug er einen grauen Pullover mit Polokragen
und kleine Hosen, die an ihm immer noch zu groß wirkten. Er hatte den Körper
eines vierzehnjährigen Jungen. Als er den weichen Filzhut abnahm (so einen,
auch das erzählte er mir später, wie nach seiner Überzeugung Dichter ihn tragen),
kam ein großer und bemerkenswerter Kopf zum Vorschein, und keineswegs zottelig
- denn er war ja zu Besuch -, sondern schwer von Haar, goldfarben wie Threepence-Stücke,
das von dem präzisen Mittelscheitel aus tiefe Wellen und Locken schlug. Seine
Stirn war sehr breit, aber nicht sehr hoch. Seine Augen hatten, wenn er ernst
war, die Farbe und Undurchsichtigkeit von Karamellen, die Farbe und Klarheit
von Sherry, wenn er lebhaft war; sie waren groß und schön geschnitten, während
die unteren Lidränder ziemlich stark pigmentiert waren. Seine Nase war ein Klumpen;
seine dicken Lippen sahen wie aufgesprungen aus; an der unteren klebte ein Fetzen
Zigarettenpapier. Er hatte ein kleines Kinn, und der Unterschied in der Breite
zwischen dem oberen und dem unteren Teil seines Gesichts erzeugte den Eindruck
von Komik und Schönheit zugleich. Er sah aus wie ein brillantes, verwegenes
Kind, und meine Familie mochte und kümmerte sich sofort um ihn, als ob er eines
wäre. - Pamela Hansford Johnson, Nachwort zu: Dylan Thomas, Porträt des Künstlers als junger
Hund. München 1994
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