Alligatorenjäger   Immer mehr fühlte sich Profane der Welt dort unten fremd. Wahrscheinlich war dieser Prozeß ebenso unmerklich vonstatten gegangen wie die Dezimierung der Alligatoren; doch irgendwie erschien es ihm, als risse die Verbindung zu einem Freundeskreis ab. Was bin ich denn, beschimpfte er sich selbst, ein heiliger Franz der Alligatoren? Ich rede nicht mit ihnen, ich mag sie nicht einmal. Ich schieße sie.

Du Idiot, antwortete ihm sein Advocatus Diaboli. Wie oft sind sie aus der Dunkelheit zu dir gekrochen, wie Freunde, die dich besuchen. Hast du je daran gedacht, daß sie von dir erschossen werden wollen?

Er entsann sich des einen, den er allein bis fast zum East River gehetzt hatte, quer durch Pater Fairings Gemeinde. Er hatte unterwegs gebummelt, hatte sich fangen lassen. Hatte darauf gewartet. Vielleicht hatte er einmal irgendwo - als er betrunken war, zu verwirrt, um richtig denken zu können, oder zu müde - seine Unterschrift unter einen Vertrag gesetzt, neben die Pfotenabdrücke derer,. die jetzt Alligatorgeister waren. Vielleicht gab es diese Vereinbarung, dieses Übereinkommen. Profane gab den Tod, die Alligatoren ihm Beschäftigung. Wie du mir, so ich dir. Er brauchte sie, und wenn sie ihn brauchten, so wohl deshalb, weil in einigen uralten Zellen ihres Alügatorengehirns die Erinnerung an ihre Jugend aufbewahrt blieb, als sie auch nur ein Konsumartikel waren wie all die Brieftaschen und Portemonnaies, die einmal ihre Eltern oder Cousins gewesen waren, Konsumartikel wie der ganze andere Plunder in den Kaufhäusern der Welt. Die Seelenwanderung durch die Toilette in die Unterwelt: ein vorübergehender Friedenszustand in der Spannung, geliehene Zeit, bis sie wieder zu unwirklich belebtem Kinderspielzeug werden sollten. Natürlich, sie wären es nicht gerne. Sie würden gern wieder das sein, was sie einst waren; und dessen vollkommenster Ausdruck war der Tod - was anderes wäre möglich? - zu exquisitem Rokoko von Künstlerratten genagt, vom Weihwasser der Gemeinde so lange umspült, bis ihre Knochen wirklich antik aussahen, zu phosphoreszierendem Leuchten gebracht von dem, der jenes Alligatorengrab in dieser Nacht so hell erstrahlen ließ.

Wenn er für seine jetzt nur noch vier Arbeitsstunden hinunterstieg, sprach er manchmal mit ihnen. Seine Kollegen ärgerten sich darüber. Eines Nachts wäre er fast draufgegangen, als eines von diesen Viechern sich umdrehte und angriff. Mit dem Schwanz versetzte es dem Mann mit dem Scheinwerfer einen bösen Schlag gegen das linke Bein. Profane rief ihm zu, er solle aus der Schußrichtung gehen, und pumpte dem Krokodil alle fünf Salven in einer Kaskade widerhallender Explosionen zwischen die Zähne. »Es ist schon gut«, sagte sein Kollege, »ich kann schon noch gehen.« Profane hörte nicht zu. Er stand neben dem kopflosen Kadaver, sah zu, wie der stete Strom des Kanalwassers seinen Lebenssaft zu einem der Flüsse spülte. Er hatte die Richtung verloren. »Baby«, sagte er zu dem Kadaver, »du hast nicht fair gespielt. Du hast dich nicht zu wehren. Das steht nicht in unserem Vertrag.«   - (v)

 

Alligator Jäger

 

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