fterreden Die übele Nachrede (obtrectatio) oder das Afterreden, worunter ich nicht die Verleumdung (contumelia), eine falsche, vor Recht zu ziehende Nachrede, sondern bloß die unmittelbare, auf keine besondere Absicht angelegte, Neigung verstehe, etwas der Achtung für andere Nachteiliges ins Gerücht zu brinjgen, ist der schuldigen Achtung gegen die Menschheit überhaupt zuwider; weil jedes gegebene Skandal diese Achtung, auf welcher doch der Antrieb zum Sittlichguten beruht, schwächt, und, so viel möglich, gegen sie ungläubig macht.
Die geflissentliche Verbreitung (propalatio) desjenigen, die Ehre
eines andern Schmälernden, was auch nicht zur öffentlichen Gerichtsbarkeit gehört,
es mag übrigens auch wahr sein, ist Verringerung der Achtung für die Menschheit
überhaupt, um endlich auf unsere Gattung selbst den Schatten der Nichtswürdigkeit
zu werfen, und Misanthropie (Menschenscheu) oder
Verachtung zur herrschenden Denkungsart zu machen, oder sein moralisches Gefühl
durch den öfteren Anblick derselben abzustumpfen und sich daran zu gewöhnen.
Es ist also Tugendpflicht, statt einer hämischen Lust an der Bloßstellung der
Fehler anderer, um sich dadurch die Meinung, gut, wenigstens nicht schlechter
als alle andere Menschen zu sein, zu sichern, den Schleier der Menschenliebe,
nicht bloß durch Milderung unserer Urteile, sondern auch durch Verschweigung
derselben, über die Fehler anderer zu werfen; weil Beispiele der Achtung, welche
uns andere geben, auch die Bestrebung rege machen können, sie gleichmäßig zu
verdienen. - Um deswillen ist die Ausspähungssucht der Sitten anderer (allotrio-episcopia)
auch für sich selbst schon ein beleidigender Vorwitz der Menschenkunde, welchem
jedermann sich mit Recht als Verletzung der ihm schuldigen Achtung widersetzen
kann. - Kant, Metaphysik der Sitten
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