yste Die
Egelartigen Rädertierchen (Bdelloidea) stechen selbst aus der bunten Vielfalt
mikroskopisch kleiner Organismen hervor. Sie leben in jeder Art von Süßwasser,
von Pfützen in der Gosse angefangen bis hin zu heißen Quellen am Toten Meer
und kurzlebigen Tümpeln auf dem antarktischen Kontinent. Sie sehen aus wie
Kommas, angetrieben von einem Apparat auf der Vorderseite ihres Körpers, der
einem kleinen Wasserrädchen ähnelt. Wenn ihr wässeriges Zuhause austrocknet
oder zufriert, nehmen sie die Form eines Apostrophs an und begeben sich zur
Ruhe. Dieser »Apostroph«, den man auch als Zyste bezeichnet, ist verblüffend
widerstandsfähig gegen jegliche Form der Mißhandlung. Man kann ihn eine Stunde
lang kochen oder eine Stunde lang bis auf ein Grad über dem absoluten Nullpunkt
- das heißt bis auf -272 ° C - einfrieren. Er widersteht nicht nur dem Zerfall,
er stirbt auch nicht. Nach dem Auftauen verwandelt sich die Zyste rasch in
ein Rädertierchen zurück, das mit seinem Bugrädchen im Tümpel seines Wegs paddelt
und sich von vorbeikommenden Bakterien ernährt. Innerhalb weniger Stunden beginnt
es, Eier zu produzieren, aus denen neue Rädertierchen schlüpfen. Ein Egelartiges
Rädertierchen kann einen mittelgroßen See innerhalb von zwei Monaten mit seinen
Nachkommen füllen. Die Zysten werden als Staub so leicht auf dem Erdball herumgeweht,
daß die Rädertierchen vermutlich regelmäßig zwischen Afrika und Amerika hin-
und herpendeln.
Außer diesen bemerkenswerten Leistungen hinsichtlich ihrer Widerstandsfähigkeit
und ihrer Fruchtbarkeit gibt es noch etwas anderes Merkwürdiges an den Rädertierchen: Man hat noch nie ein männliches Egelartiges Rädertierchen gesehen.
Soweit die Biologen heute wissen, ist jedes einzelne Mitglied jeder einzelnen
der auf der Welt vorkommenden fünfhundert Bdelloidea-Arten weiblich. In ihrem
Repertoire existiert Sex einfach nicht. - Matt Ridley, Eros
und Evolution. Die Naturgeschichte der Sexualität. München 1996
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