Zwischenstation  Einfall im Gebirge.  Staatliche Bordelle waren noch nicht verwirklicht, von einer Gesellschaftsordn- und -Stimmung, die Prostitution überflüssig machte, gar nicht zu reden. In Nebenstädten, zuweilen kleinen Städtchen, gab es zum Teil vergangsterte „Freudenhäuser", in der Hauptstadt durfte überhaupt nicht kasern gelüstet werden. Darum beschloß Ing. Topolz, er beschloß es plötzlich, auf dem gelbverrüttelten Gang des Eisenbahnwagens in der sausenden Durchfahrt durchs kalte nächtliche Gesäuse, nicht nach Deutschland zu machen, sondern im Städtchen S, das laut Sexblättchenillustration ein rotes Laternhaus mit pumpfbäckigem Hürchen in unnachahmlich ordinär hochgerafftem Supermini enthielt, die Fahrt zu drosseln. Die Abteiltüren klapperten rhythmisch, Metallkanten gegen Metallrahmen. Ing. Topolz nahm die Filter etwas zu Mund und öffnete das Fenster, um sich den Kopf wegschneiden zu lassen. Der Blick ging ganz hoch. Dort war etwas durch und durch Fremdes, Abweisendes, Felsiges, selbst in der Schwarznacht steingrau, auch irgend ein Wasser zischte, die Luft war unnatürlich rein. Ing. Topolz lief ein Nervenstrang rückenrunter, sein Glied wurde fleischig, Vorstufe zu knöchern. Die Fahrtunterbrechung konnte man in diesen Jahren schon im Zug vormerken lassen. Der Schaffner hatte eine Art Heiligenschein und sprach einen friedlicheren, ländlichen Dialekt. Ing. Topolz bemühte sich, das Minimädchen nicht in seinem Aug herzuzeigen. Wo wurde er die Füße baden, die unvermeidlich etwas stanken? Das Wassersystem im Zug lag tot. Es war anzunehmen, daß es im Bordell ein Bad gab, aber er wollte schon okay eintreten. Vielleicht gab es ein Bahnhofsbad; aber war es, in dem kleinen Städtchen, so tief in der Nacht geöffnet? Und war es zimmerrein? So Bahnhofsanitäres, heute in der Zeit des Balkan-Ungeziefers? Er rauchte zu einer plötzlich angestrahlten Krummbrücke hinüber, die es plötzlich ganz nahe der Pupille gab. Nun wieder die Syphilis im Land, verdammte Kulis. Das Wagentürchen knallte ins Schloß zurück, das Trittbrett war hochhoch wie immer, auch in S. Ing. Topolz sprang unweigerlich in den Matsch. Er lachte: zog nach den Schuhen die Socken aus, badete im jedenfalls nicht riechenden Matsch, unbeobachtet, wischte sich in die schmutzigen Socken, zog saubere aus der Reisetasche und war nun okay. Kurz Landstraßenmarsch, Seitengäßchenverzückung. Atemholandacht. Auf dreimaliges Klingeln - das Simpelste half immer - durfte er bei einer Blondierten viel Fleischwärme Qualmenden, die er - warum nicht? - auch selbst heimgesucht hätte in einem Beneordner blättern, der wenige durchsichtige Plastik-Aktenhüllen mit noch weniger Stück Mädchen in recht effektlosen photographischen Stellungen enthielt. Ing. Topolz' Finger schwitzten, hinterließen feuchte Rinnen, die das Plastik nicht aufsog. Er klopfte fast weiße in einen herzförmigen und -farbigen Ascher und im Ventilatorenschneematschwind und der Gegenbewegung warmer Weibzimmerparfumluft auf: in der letzten Plastikhülle steckte genau sein pumpfbäckiges Minimädchen.   - (met)

Reise Unterbrechung



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