winkern    Der Scharfrichter holte aus, und der Kopf des ersten ›Kerls‹ rollte ein paar Schritte über die Neigung, die gelben Zähne fletschend. Doch im Augenblick der Köpfung bemerkte Kocmoluchowicz (als der Kopf bereits in der Luft war) etwas wie ein Pflaster, das dem Querschnitt einer Preßwurst ähnlich war: in der Mitte graue, dann weiße, dann rote Fleckchen und die gleichmäßige Linie der Haut, die den noch lebenden Körper umgab. In einer Sekunde (vielleicht in einer Viertelsekunde) wurde das alles von sprudelndem Blut übergossen, während der Kopf längst die Zähne auf dem Rasen fletschte. (Welch eine Technik, welch eine Technik!) Vielleicht schien es ihm nur so, aber die Augen des abgetrennten chinesischen Kopfes zwinkerten ihm ganz deutlich verständnisvoll zu.  - Stanislaw I. Witkiewicz, Unersättlichkeit. Nach: S.I.W.: Verrückte Lokomotive. Ein Lesebuch, mit Bildern des Autors. Hg. Andrzej Wirth. Frankfurt am Main 1994 (zuerst 1930)

Zwinkern (2) In seiner Historie of Serpents weiss Topsell viel vom Krokodil zu erzählen, unter anderem: «Einige haben geschrieben, dass das Krokodil weglaufe von einem Menschen, wenn dieser mit dem linken Auge zwinkere, und es mit dem rechten Auge starr betrachte; doch wenn das wahr ist, so ist das nicht der Kraft des rechten Auges zu verdanken, sondern nur der Schwachsichtigkeit, die den Schlangen auf einem Auge eigen ist.»   - Colin Clair, Unnatürliche Geschichten. Ein Bestiarium, Zürich 1969 (zuerst 1967)

Zwinkern (3)

ZWINKERN

In einem Zeitalter der Fehler hegte ich
»falsche Gefühle« der folgenden Art

Mein Glaube ist unverrückbar,
meine Augen schauen unverwandt.

Regenbogen
treiben in schäumender Quelle,
blicken sanft auf die Passanten,
ein Zwinkern —
und schon sind sie Schatten von Schlangen.

Die Uhr
ruht in der Kirche,
still knackt sie mit den Zeigern,
ein Zwinkern —
und schon ist sie ein tiefer Brunnen.

Rote Blüten
brechen auf der Leinwand auf,
heißen inbrünstig den Frühlingswind willkommen,
ein Zwinkern —
und schon sind sie der Geruch von Blut.

Um meines unverrückbaren Glaubens willen
ist aufgerissen das Augenrund.

 - Gu Cheng, nach (frach)

Zwinkern (4)  »Na du, spreiz dich nicht so!« sagte Pakin zu Rakukin.

Rakukin krauste die Nase und sah Pakin unwillig an.

»Was glotzt du? Kennst du mich nicht?« fragte Pakin.

Rakukin biß sich auf die Lippen, drehte sich auf seinem Drehsessel entrüstet um und blickte in die andere Richtung. Pakin trommelte mit den Fingern aufs Knie und sagte:

»So ein Idiot! Dem müßte man mit dem Stock von hinten eins über den Schädel geben!«

Rakukin erhob sich und ging zur Tür, doch Pakin sprang auf, lief ihm nach und sagte:
»Halt! Wohin so eilig? Setz dich lieber, ich kann dir einiges zeigen.«

Rakukin blieb stehen und sah Pakin argwöhnisch an.

»Was, du glaubst mir nicht?« fragte Pakin.

»Doch«, sagte Rakukin.

»Dann setz dich in diesen Sessel«, sagte Pakin.

Rakukin setzte sich wieder in seinen Drehsessel.

»Was ist?« sagte Pakin. »Was sitzt du im Sessel wie ein Idiot?«

Rakukin schob die Füße vor und begann heftig zu zwinkern.

»Zwinkere nicht«, sagte Pakin.

Rakukin hörte auf zu zwinkern, krümmte den Rücken und zog den Kopf ein.

»Sitz gerade«, sagte Pakin.

Rakukin, den Rücken noch immer gekrümmt, schob den Bauch vor und reckte den Hals.      

»Ah«, sagte Pakin, »du müßtest eins in die Schnauze kriegen!«


Rakukin stieß auf, blähte die Backen und ließ vorsichtig die Luft aus der Nase.

»Na du, spreiz dich nicht so!« sagte Pakin zu Rakukin.

Rakukin reckte noch mehr den Hals und begann wieder heftig zu zwinkern.

Pakin sagte: »Rakukin! Wenn du nicht aufhörst zu zwinkern, kriegst du von mir einen Tritt vor die Brust.«

Rakukin, um nicht zu zwinkern, biß die Zahne zusammen, reckte noch mehr den Hals und bog den Kopf zurück.

»Brrr, du gibst vielleicht ein gemeines Bild ab«, sagte Pakin. »Die reinste Hühnerfratze, und der Hals blau, ekelhaft.«

Indessen sank Rakukins Kopf immer weiter zurück, verlor schließlich den Halt und fiel auf den Rücken.

»Was denn nun!« rief Pakin. »Was ist denn das nun wieder?«

Von Pakin aus gesehen, hätte man meinen können, Rakukin säße ohne Kopf da. Sein Adamsapfel stach in die Luft und kam einem unwillkürlich wie eine Nase vor.

»He, Rakukin!« sagte Pakin.

Rakukin schwieg.

»Rakukin!« wiederholte Pakin.

Rakukin antwortete nicht und rührte sich nicht.

»So«, sagte Pakin. »Krepiert, unser Rakukin.«

Pakin bekreuzigte sich und verließ auf Zehenspitzen das Zimmer.

Vierzehn Minuten danach kletterte eine kleine Seele aus Rakukins Körper und blickte finster auf den Platz, auf dem Pakin gesessen hatte. Doch da kam hinterm Schrank die hohe Gestalt des Todesengels hervor, nahm Rakukins Seele bei der Hand und führte sie durch Wände und Häuser davon. Rakukins Seele zottelte hinter ihm her und blickte sich alle drei Schritte finster um. Dann aber legte der Todesengel einen Schritt zu, und Rakukins Seele verschwand hüpfend und stolpernd hinter einer fernen Biegung. - (charms)

 

Blick

 

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