wickmühle   Lebenslustig sein - das Leben war bekanntlich kurz -, darauf wäre es angekommen, wenn man's gekonnt hätte; doch gelang es nur, wenn einem so etwas wie Lebenslust gewissermaßen angeboren war. Und er meinte, jedenfalls was ihn betreffe, so habe er dabei fast immer das Gefühl, als sei er schlecht gewaschen und wäre lieber allein. Also stimmte es, was jener Student seinerzeit in Tübingen zu ihm gesagt hatte: »Du bist einsam.« Lieber nicht ... dachte er und bemühte sich, in andere hineinzuhorchen oder sie durch Empfindungen wahrzunehmen, ohne allzu nahe bei ihnen zu sein; doch war dies auch nicht ohne ein Schmerzgefühl möglich, weil er dann merkte, daß der andere wünschte, man möge sich näherkommen. Und du selber wünschst es auch, fürchtest dich aber davor, weil du denkst: die Spannungen ... ach, diese leidigen Spannungen. Eine Zwickmühle, gewissermaßen. Und er erinnerte sich eines Wortes des Frischmädchens, die, bevor sie nach Spanien abgereist war, zu ihm gesagt hatte: »Wenn ein Mann Zartgefühl bewiesen hat...«

Sie hatte den Satz nicht beendet, und das war gut. Nun konnte er so tun, als hätte er sie nicht verstanden. Und er wunderte sich über sich, meinte, er sei konziliant nach außen und sehne sich nach Einsamkeit und Leichtsinn (ja, beides zusammen). Du lächelst und bist freundlich, insgeheim aber kommt dir alles hohl und nichtig vor. Du meinst, die Menschen (also auch du selbst) seien süchtig nach Geld und Schmeicheleien, während sie von »menschlicher Gesinnung« reden ... Jedem gleichst du dich an, damit man dich in Ruhe läßt. Du fürchtest dich und erwartest, daß sich der Boden spaltet.  - Hermann Lenz, Ein Fremdling. Frankfurt am Main 1988 (st 1491, zuerst 1983)

Zwickmühle (3)

Zwickmühle (4)  Kaiser, so sagte Domitian, befänden sich in einer ganz traurigen Lage, denn hätten sie eine Verschwörung entdeckt, fänden sie keinen Glauben, es sei denn, sie würden ermordet. - (sue)

Zwickmühle (5)  1794! Am 7. Thermidor, zwei Tage vor Robespierres Sturz, sind die Gefängnisse überfüllt: 3000 Personen in Strassburg, 1500 in Toulouse, 7000 in Paris - alle diese Gefangenen sind zum Tode verurteilt - weil sie die «Sitten verderbt» haben. Und am 7. Thermidor wird noch jene kleine Näherin geköpft, in deren Schürzentasche man ein Federmesser gefunden hat, sie wird zur Guillotine geführt im roten Kleid der Vatermörderinnen, weil sie den «Vater des Vaterlandes» hat ermorden wollen. Auf dem Brett, unter dem Fallbeil, streckt sie sich aus und fragt, mit einem schüchternen Blick nach oben: «Lieg' ich gut so, Herr Henker?» Bei diesen Worten ging ein Zittern durch die Menge, erzählt der Memorialist...

«Der Terror, ohne den die Tugend keine Gewalt hat!» schrieb Robespierre und fügte hinzu: «Die Tugend, ohne die der Terror furchtbar ist.» Es ist so, von Zeit zu Zeit herrschen Männer über die Menschheit und wollen die Tugend einführen: jedes Mittel ist ihnen recht, die blutige Guillotine, die «trockene» Guillotine (wie man später die Deportationen nannte), aber die Menschheit muss tugendhaft sein, und zwar auf die einzig seligmachende Art, deren Präzepte im Kopf eines Mannes entstanden sind...

Die Menschheit ist nicht tugendsam, und wenn die Menschen auch laut behaupten, die Tugend zu lieben, sie halten es lieber mit der Bequemlichkeit.  - Friedrich Glauser, Morphium  und autobiographische Texte. Zürich 1980 

Zwickmühle (6)  

- Roland Topor

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AuswegMühle
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