wergstaat Zur
Nacht in einem Zwergstaat, in dem es sich bequem lebte, obwohl oder weil man
fünf gerade sein ließ. Die Gesetze waren schlampig; man konnte ebensoviel heraus-
wie hineinlesen. Untaten, die nicht verzeichnet waren, wurden auch nicht bestraft.
Andererseits wurden eigentlich nur zensorisch zu rügende Mängel legislatorisch
erfaßt. Man zwängte sie in beliebige Paragraphen hinein. So wurde ein Achtzehnjähriger,
der seine Großmutter beschlafen hatte, wegen Mumienschändung, und ein Schriftsteller,
dem ein faszinierender Roman gelungen war, wegen nächtlicher Ruhestörung belangt.
Alte und Junge, die den Wälzer bis in die Morgenstunden verschlungen hatten,
kamen zu spät oder gar nicht zum Dienst und holten dort den Schlaf nach oder
setzten die Lektüre fort.
- Ernst Jünger, Siebzig verweht V. Stuttgart 1997, Notat vom 27. Juni
1993
|
||
|
||