usammenführung   In den USA sind seit einigen Jahren — bisher noch in geringer Zahl — Elektronenrechner tätig, deren Programm in der Zusammenführung von Ehepartnern besteht. Der maschinelle Ehestifter stellt Paare zusammen, deren Partner einander in körperlicher und geistiger Hinsicht optimal entsprechen. Nach den (bisher mageren) Untersuchungsergehnissen zu urteilen, halten die maschinell gestifteten Verbindungen rund doppelt so lange wie die gewöhnlichen Ehen.

In den Vereinigten Staaten ist das Durchschnittsalter der Eheschließung in den letzten Jahren gesunken, und 50 Prozent der geschlossenen Ehen zerbrechen innerhalb von fünf Jahren, so daß es eine Unmenge von geschiedenen Twens und von Kindern gibt, die der normalen elterlichen Fürsorge beraubt sind. Man hat bisher noch nichts gefunden, was die Erziehung in der Familie ersetzen könnte, denn dies ist nicht nur eine Frage der Mittel für den Unterhalt entsprechender Institutionen (Kinderhorte); es gibt keinen Ersatz für die elterliche Zuwendung, und wenn ein Kind sie frühzeitig und längerfristig entbehren muß, so bedeutet das nicht nur eine negative Kindheitserfahrung, sondern es führt außerdem zur Entstehung von Defekten im Bereich der sogenannten höheren Empfindungen, die oft nicht mehr zu beheben sind. Das ist der gegenwärtige Zustand.

Die Menschen bilden Paare nach der Zufallsmethode, die man auch als Brownsche Methode bezeichnen könnte, denn sie verbinden sich nach einer gewissen Zahl von flüchtigen Kontakten, wenn sie schließlich auf einen Partner stoßen, der — wofür die gegenseitige Anziehung zu sprechen scheint - der »Richtige« ist. Diese Erkenntnis ist jedoch im Grunde ziemlich zufallsbedingt (denn in 50 Prozent der Fälle erweist sie sich als Irrtum).

Dieser Zustand wird durch die »maschinellen Ehestifter« verändert. Nachdem man die Maschine aufgrund entsprechender Untersuchungen über die psychosomatischen Merkmale der Kandidaten informiert hat, sucht sie die Paare heraus, die optimal zueinander passen. Die Maschine beseitigt nicht die Freiheit der Entscheidung, denn sie führt nicht nur zu einem einzigen Kandidaten, sondern schlägt nach probabilistischem Verfahren eine Auswahl vor, die sie innerhalb des Verläßlichkeitsbereichs aus der Gruppe der selektierten Partner zusammenstellt. Während jedoch die Maschine solche Gruppen unter Millionen von Menschen auswählen kann, hat das Individuum, das traditionell nach der »Zufallsmethode« verfährt, in seinem ganzen Leben bestenfalls die Möglichkeit, einige hundert kennenzulernen.

Damit verwirklicht die Maschine im Grunde den alten Mythos von dem Mann und der Frau, die füreinander bestimmt sind, sich aber vergeblich suchen. Jetzt käme es nur darauf an, daß diese Tatsache ins gesellschaftliche Bewußtsein dringt. Das sind allerdings ausschließlich rationale Argumente. Die Maschine erweitert die Auswahlmöglichkeiten des einzelnen, nimmt ihm aber indirekt und ohne ihn zu fragen das Recht auf die Irrtümer und Leiden, ja überhaupt auf all die Beschwerlichkeiten des ehelichen Lebens, nach denen mancher sich vielleicht gerade sehnt; zumindest könnte es sein, daß jemand für sich das Recht aufs Risiko in Anspruch nimmt.

Nach herrschender Auffassung schließt man zwar die Ehe, um in ihr alt zu werden; vielleicht will aber — jemand gerade ein Abenteuer mit einem leichtsinnig gewählten Partner erleben, selbst wenn es ein fatales Ende nimmt, statt »lange und glücklich« in einem harmonischen Ehebund zu leben. Im allgemeinen überwiegen jedoch die Vorteile der Eheanbahnung aus der Position des »besseren Wissens«, über das die Maschine verfügt, die Nachteile so beträchtlich, daß dieses Verfahren große Chancen hat, sich auszubreiten. Wenn es erst zur kulturellen Norm geworden ist, wird eine Heirat, von welcher der maschinelle Ehestifter abgeraten hat, vielleicht so etwas wie eine verbotene und daher verlockende Frucht sein, und die Gesellschaft wird ihr vielleicht eine Aura verleihen, wie sie früher z. B. die Mesalliancen umgab.

Vielleicht wird man einen solchen »Verzweiflungsschritt« in gewissen Kreisen auch als »Ausdruck besonderen Mutes«, als »Herausforderung der Gefahr« betrachten. - (sum)

Zusammenführung (2)  B. war außergewöhnlich groß (knapp zwei Meter), er sah gut aus und hatte ein freundliches Wesen - Eigenschaften, die ihn für Frauen besonders attraktiv machten. Als er nach der Scheidung wieder zu haben war, konnte er sich die Frauen praktisch aussuchen. Ich sah ihn nur zwei- oder dreimal im Jahr, aber dann hatte er jedesmal eine andere. Sie alle waren offensichtlich verrückt nach ihm. Man brauchte nur zu beobachten, wie sie B. ansahen; sie zeigten ihre Gefühle deutlich genug, aber aus irgendwelchen Gründen hielten diese Affären nie sehr lange.

Nach zwei, drei Jahren machte B.s Vermieter seine Drohungen schließlich wahr und kündigte ihm den Mietvertrag für seinen Loft. B. zog aus der Stadt, und ich verlor den Kontakt zu ihm.

Es vergingen etliche Jahre, und dann kam B. eines Abends in die Stadt zurück, um an einer Dinnerparty teilzunehmen. Meine Frau und ich waren auch da, und da wir wußten, daß B. demnächst heiraten würde, baten wir ihn zu erzählen, wie er seine künftige Frau kennengelernt habe.

Vor etwa sechs Monaten, sagte er, habe er mit einem Freund telefoniert. Dieser Freund habe sich Sorgen um ihn gemacht und nach einer Weile angefangen, B. Vorhaltungen zu machen, daß er nicht wieder geheiratet habe. Deine Scheidung liegt jetzt sieben Jahre zurück, sagte er, und in dieser Zeit hättest du ein Dutzend attraktive und bemerkenswerte Frauen heimführen können. Aber keine ist gut genug für dich, du hast sie alle abgewiesen. Was hast du bloß, B.? Was erwartest du denn eigentlich?

Ich habe überhaupt nichts, sagte B. Ich habe bloß noch nicht die Richtige gefunden, das ist alles.

Bei deinem Verschleiß wird dir das nie gelingen, erwiderte der Freund. Ich meine, hast du jemals eine Frau kennengelernt, die dem, was du suchst, nahekommt? Nenn mir eine. Na los, nenn mir eine, eine einzige.

Verblüfft von der Heftigkeit seines Freundes, wurde B. still und dachte sorgfältig über die Frage nach. Ja, sagte er schließlich, eine habe es gegeben. Ihr Name sei E., er habe sie vor über zwanzig Jahren während seines Studiums in Harvard kennengelernt. Aber sie sei damals mit einem anderen zusammengewesen, und er selbst habe auch eine andere gehabt (seine künftige Exfrau), deshalb habe sich nichts mit ihr ergeben. Er habe keine Ahnung, wo E. jetzt lebe, sagte er, aber wenn er jemanden wie sie kennenlernen könnte, würde er mit Sicherheit nicht zögern, noch einmal zu heiraten.

Damit war das Telefonat zu Ende. Bis er sie sei-nem Freund gegenüber erwähnt hatte, hatte er mehr als zehn Jahre lang nicht an diese Frau gedacht, aber jetzt, da sie wieder in seinen Gedanken aufgetaucht war, konnte er kaum noch an etwas anderes denken. Ich den nächsten drei, vier Tagen dachte er unablässig an sie, er konnte das Gefühl nicht loswerden, daß er vor vielen Jahren seine einzige Chance auf ein glückliches Leben verspielt hatte. Und dann, fast als wäre durch die Intensität dieser Gedanken ein Signal in die Welt hinausgeschickt worden, klingelte eines Abends das Telefon, und am anderen Ende der Leitung war E.

B. ließ sie erst nach über drei Stunden wieder auflegen. Er wußte kaum, was er zu ihr sagte, redete aber bis nach Mitternacht weiter, denn ihm war klar, daß sich etwas Wichtiges ereignet hatte und daß er diese Frau nicht noch einmal ziehen lassen durfte.

E. hatte sich nach dem Collegeabschluß einer Tanztruppe angeschlossen und dann zwanzig Jahre lang nur für ihre Karriere gelebt. Geheiratet hatte sie nicht, und nun, da sie als Tänzerin aufhören wollte, versuchte sie wieder Kontakt mit der Welt aufzunehmen und rief alte Freunde aus ihrer Vergangenheit an. Sie hatte keine Familie (ihre Eltern waren bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als sie noch ein kleines Mädchen war) und war bei zwei Tanten aufgewachsen, die inzwischen beide gestorben waren.

B. verabredete sich mit ihr für den nächsten Abend, Als sie erst zusammensaßen, brauchte er nicht lange, um festzustellen, daß seine Gefühle für sie tatsächlich genauso stark waren, wie er sich vorgestellt hatte. Er verliebte sich noch einmal in sie, und einige Wochen später waren sie verlobt.

Und was die Geschichte noch perfekter machte: Es stellte sich heraus, daß E. finanziell vollkommen unabhängig war. Ihre Tanten waren reich gewesen, und nach ihrem Tod hatte sie das ganze Geld geerbt — B. hatte also nicht nur seine wahre Liebe gefunden, sondern war auch plötzlich die drückenden Geldsorgen los, die ihn seit so vielen Jahren geplagt hatten. - Paul Auster, Das rote Notizbuch. Reinbek bei Hamburg 1996 (zuerst 1995)

Zusammenführung (3) Dazumal hatte ich wohl die größte Freude unter der Sonnen, und weil sich die Gelegenheit gar wohl darzu fügte, verehlichte ich meine Jungfer Köchin an den Bauernkerl, welcher ihr je länger je besser anstund. Aber der Gesell ist ein Vierteljahr darnach jämmerlich ans Horn gelaufen, weil bald dieser, bald ein anderer Junger von Adel in seinem Absein ins Haus gekommen. Der Buhler, der fast täglich zusprach, hieß Finis, der Bauer Opus, dahero hätte einer wohl sagen können: Finis coronat Opus. Aber ich nahm letztlich die Köchin unter die Sporn, und nachdem sie mir ein langes Register derjenigen herausgebeichtet, welche ihr die horas zu singen pflegten, legte ich ihre schändliche Handlungen augenscheinlich an Tag samt beigehängtem Unheil, welches auf ein so arges Leben zu folgen pfleget. »Meinest du,« sagte ich zu ihr, »daß dieser Tanz ewig. werden wird? Ach, meine liebe Köchin, wer nach dieser Fiedel tanzet, der wird die große Saiten bald abspringen sehen. Meinst du denn, daß man um deine Lumpenstücklein nicht weiß ? Dein Mann hat mirs mit weinenden Augen geklaget, wie sauber du ihm die Farbe haltest. Pfui, schäme dich ins Herze hinein, hast du solches von mir oder meiner Frau gelernet ? Haben dich zu solchem Handwerk deine Eltern unterwiesen, oder wo hast du die Fretterei aufgegabelt ? Nun stehest du Hure da ganz erblasset und erschrocken, aber wie wird dirs gehn, wenn du gestorben bist und einen schärfern Richter als mich zu förchten hast? Gelt, es klopft dir dein Herz und pufft dir im Leibe wie ein Weber in seinem Weberstuhl. Warum hängst du dich an solche Narrn, die dich nur zum Verderben führen? Meinst du nicht, ich hätte Macht und Gewalt, dich entweder öffentlich in der Fiedel herumführen zu lassen oder dir gar den Tact mit der Rute auf den Buckel zu geben ? Ich will dirs hiermit vors letzte Mal gesagt und dich getreulich vermahnet haben. Laß ab von solchen Händeln, oder es wird spanisch mit dir ablaufen.« - Johann Beer, Die teutschen Winter-Nächte & kurzweiligen Sommer-Täge. Frankfurt am Main 1985 (it 872, zuerst 1682, Hg. Richard Alewyn)

Zusammenführung (4) Agnes hatte einmal mit Denis geschlafen, aber nicht darum sollte sie ihn heiraten, im November wie es hieß. Madame Hachamoth hatte es so beschlossen, und in diesem Punkt war es Agnes gleichgültig, ihrer Mutter zu gehorchen. Denis mißfiel ihr nicht, da er ihr in allen Sportarten unterlegen war, ein wenig zu sehr sogar, er war ein netter Junge, auf dessen Training sie jedoch ein wachsames Auge haben mußte. Die Gesellschaft dieser kleinen Mannsperson würde den Lauf ihres Lebens in keiner Weise stören, sie würde ihn ohne Antipathie oder Bedauern hinter sich herschleppen. Die Heirat würde weder ihre Vorlieben noch ihre Beschäftigungen ändern, da sie nur eine andere Form des Müßiggangs wäre. - (lim)

Zusammenführung (5)  Es war einmal ein Weib, Xenia geheißen. Dick die Brust, rund die Schultern, blau die Augen. So eine war das. Uns beiden, Ihnen und mir, gewünscht!

Ihr Ehemann war im Krieg gefallen. Drei Jahre hatte sie ohne Mann gelebt und bei reichen Herrschaften gedient. Dreimal am Tag wünschten die Herrschaften, warm zu speisen. Nicht mit Holz wurde geheizt, nein, mit Kohle. Von den Kohlen wurde es unerträglich heiß, in den Kohlen glommen Feuerrosen.

Drei Jahre hatte das Weib für die Herrschaften gekocht und sich die Kerls vom Leibe gehalten. Aber wo sollte sie mit der pudschweren Brust hin? Na sehen Sie!

Im vierten Jahr geht sie zum Doktor und sagt:

»Der Kopf ist mir schwer: Bald lodert's wie Feuer, bald wird mir ganz schwach.«

Da wird der Doktor ihr doch antworten:

»Laufen bei euch zuwenig Burschen rum? Ach du, Weib!«

»Ich trau mich nicht«, wispert Xenia, »bin zu zart von Gefühl.«

Das stimmt, zartfühlend ist sie. In ihren blauen Augen glitzert eine bittere Träne.

Die alte Morosowsche hat sich geschwind der Sache angenommen.

Die alte Morosowsche betreut die ganze Straße als Wehmutter und weise Frau. Solche gehen nicht eben zimperlich mit einem Frauenleib um. Sie kuppeln die Paare, was weiter geschieht, kümmert sie wenig.

»Ich«, sagt sie, »werd dich versorgen, Xenia. Die trockne Erde ist rissig geworden. Braucht Gottes Regentropfen. Im Weib muß es gären, feucht und rüchig.«

Und sie brachte einen an. Valentin Iwanowitsch hieß er. Schön war er nicht, aber phantasiebegabt, konnte Lieder machen. Der Körper mickrig, die Haare lang, die Pickel schillerten in allen Regenbogenfarben. Aber brauche Xenia etwa einen Stier? Lieder mache er, und ein Mann sei er — was Besseres finde sie in der ganzen Welt nicht. - (babel)

Zufall Ehe Zusammensetzung
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VB
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