uordnung   Er beherrscht ein Kunststück, aber er führt es nicht vor, wenn er beobachtet wird oder sich beobachtet wähnt. Und er wurde beobachtet. Die das Tier von vorne beobachteten und ihm ins Gesicht schauten, waren überzeugt, mit dieser Schnauze und mit diesen Augen und Ohren einen Bären vor sich zu haben, zudem schnaufte der Binturong wie ein Bär. Doch die, welche ihn von hinten beobachteten, sahen am Ende des Tieres einen Schwanz, der ihrer Erkenntnis nach einer Schleichkatze gehören mußte, aber dann beobachteten sie, daß das Tier auf nackten Tatzen ging und nach Bärenart die Sohlen beim Gehen voll aufsetzte, und daß diese Schleichkatze, falls sie eine wäre, eine war, die nicht schleicht. Danach stellten sich die, die das Tier von hinten begutachtet hatten, vorne an, wo es mit seinem Kopf aussah wie ein Bär. Für einen wirklichen Bären war es allerdings nicht groß genug, doch gibt es auch kleine Bären, und so ordneten sie den Binturong den Kleinbären zu und nannten ihn, in Erinnerung an den Schwanz, den sie hinten gesehen hatten, Marderbär. Die, welche das Tier zuerst von vorne beobachtet hatten, schauten indessen den Binturong ausführlich von hinten an und wunderten sich, daß er nicht einfach einen Schwanz, sondern einen Wickelschwanz hatte, wie ihn höhere Säugetiere nicht zu tragen pflegen, doch um einen Säuger mußte es sich handeln, denn das Weibchen hatte eindeutig Zitzen an der Brust. Also wäre der Binturong das einzige höhere Säugetier mit einem Ringelschwanz.

Und der Binturong zeigte denen, die ihn von vorn und hinten beobachteten, was sich mit einem solchen Schwanz machen läßt. Er kletterte auf einen Baum, klammerte sich dabei mit dem Ringel seines Schwanzes an die Aste, zog sich, wie dies bestimmte Affen tun, hoch, als wäre der Schwanz eine fünfte Hand. Darauf meinten einige Beobachter, man sollte den Binturong vielleicht zutreffender ›Affenmarder‹ nennen; doch fiel ihnen gleich wieder der Bär ein, als sie sahen, wie der Binturong sich nach Bärenart auf einem Ast fortbewegte, gleichzeitig die beiden rechten Tatzen nach vorn setzend und dann gleichzeitig die beiden linken nachziehend. Doch dann rutschte das Tier Kopf voran an einem glatten Holz abwärts, den Schwanz als Bremse benutzend, so daß es zwar im Schuß unten ankam, sich aber im letzten Moment auffing. Offensichtlich war der Binturong, welcher Art man ihn auch zuordnen mochte, ein Baumtier. Deswegen verglichen ihn die, welche ihn weiter beobachteten, mit anderen Tieren, die auf Bäumen wohnen, mit solchen, welche die Nacht zusammengerollt in hohlen Bäumen oder Astgabeln verschlafen und die den Palmweinsammlern den süßen Saft aus den Auffangtöpfchen stehlen, oder mit jenen, welche eine Larve im Gesicht tragen. Aber im Vergleich wirkte der Binturong ungeschickter. Er sprang zwar seine Beute auch lautlos an, doch setzte er seinen Fangbiß nicht gezielt in Kopf oder Nacken, sondern wohin es sich gerade ergab oder wie es ihm paßte. Er schien beim Fressen nicht wählerisch zu sein; er verspeiste die Vögel, ohne sie zu rupfeüi. Und die das Tier von vorn und hinten beobachtet hatten, sahen es nun von beiden Seiten an. Sie staunten, daß dieser eher gedrungene Körper auf eher kurzen Beinen behende und flink sein konnte. Sie musterten genauer sein struppiges Fell, ein ziemlich wirres Haar, wie von jemandem, der eben aufgestanden ist, und da der Binturong nach oben und unten und in alle Richtungen sah, sah er aus, als ob er einen Kamm suche; aber auch wenn er sich zwischendurch irgendwo hinlegte, benutzte er die Zunge kaum, um sein Fell glattzustreichen. Da der Binturong plötzlich loslief, mit sich allein und andern Rennen spielte, glaubten die, die ihn von rechts und von links beobachteten, es handle sich um ein Jungtier. Doch dann sahen sie, daß es kleinere Binturongs gab, die auch Rennen spielten; die kleinen hängten sich mit ihren Ringelschwänzen an die Äste und schaukelten, als ob sie ein Kunststück vorführen wollten. Aber die alten, die das gleiche taten, holten beim Schaukeln weiter aus. Und die Beobachter notierten sich, daß die Binturongs mit dem Heranwachsen das Spielen nicht aufgeben, sondern sich darin vervollkommnen. Doch schenkten sie der Tatsache, daß die Kleinen merkwürdige Sprünge in die Luft vollführten, weiter keine Beachtung und kamen nicht darauf, daß diese das Kunststück der Erwachsenen übten. Denn obgleich er ein Baumtier ist, vollführt der Binturong sein Kunststück am Boden, doch nur wenn er sich nicht beobachtet fühlt. Von denen, die weggingen, nachdem sie das Tier von vorn und von hinten und von rechts und von links beobachtet hatten, drehte sich einer um und schaute mit einem Feldstecher zurück. Der Binturong sprang fast aus dem Stand hoch, zog alle viere an, kugelte sich zusammen und drehte sich in der Luft wie ein Ball und ließ sich platt auf den Rücken fallen. In diesem Sprung war nichts von Drohung und nichts von Werbung. Der Binturong tat dies, ohne einem Weibchen imponieren zu wollen und nicht wegen der Nahrungssuche, nicht um einen Rivalen auszustechen oder um einen Feind zu verjagen. Er machte etwas, das die andern nicht taten, obwohl auch die einen Ringelschwanz hatten und nach Bärenart gingen. Er beherrschte sein Kunststück derart, daß er seinen struppigen Salto gleich wiederholte. Für sich vor sich hin und einfach so.  - (loe)

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- Hans Breder

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