Zukunftsköter  Mein Großvater gefällt sich darin, seine Söhne anzuekeln. Dieser schreckliche Vater hat sein Leben damit zugebracht, sie zu bedrücken; sie kommen auf Zehenspitzen ins Zimmer und überraschen ihn auf den Knien vor einem kleinen Bengel: das gibt ihnen einen Stich ins Herz! Im Kampf der Generationen verbünden sich häufig die Kinder mit den Greisen: die einen geben Orakelsprüche von sich, die andern deuten sie, die Natur spricht, und die Erfahrung übersetzt: die Erwachsenen haben gefälligst die Schnauze zu halten. Hat man kein Kind, so nehme man einen Köter: auf dem Hundefriedhof erkannte ich letztes Jahr hinter der zitternden Rede, die dort von Grab zu Grab geht, die Maxime meines Großvaters: die Hunde können lieben; sie sind zärtlicher als die Menschen, anhänglicher; sie haben Takt, einen unfehlbaren Instinkt, um das Gute zu erkennen, um die Guten von den Schlechten zu unterscheiden. «Polonius», sagte die Inschrift einer untröstlichen Hundemutter, «du bist besser als ich. Du hättest nach meinem Tode nicht weitergelebt; ich lebe weiter nach deinem.» Ein amerikanischer Freund begleitete mich auf den Hundefriedhof: wütend gab er dem Zementhund einen Fußtritt und brach ihm ein Ohr ab. Er hatte recht: wenn man die Kinder und die Tiere zu sehr liebt, liebt man sie gegen die Menschen.

Ich also bin ein Zukunftsköter: ich prophezeie. Ich spreche Kindermund, man merkt sich die Aussprüche, man wiederholt sie vor mir: ich lerne, neue zu produzieren. Ich produziere auch Erwachsenenwörter: ich bin in der Lage, ohne große Mühe etwas zu sagen, was «weit über mein Alter hinausreicht». Diese Aussprüche sind Gedichte; das Rezept ist einfach: man muß sich auf den Teufel verlassen, auf den Zufall, auf das Vakuum, ganze Satze der Erwachsenen nehmen, aneinanderreihen, wiederholen, ohne sie zu verstehen. Kurzum, ich gebe Orakelsprüche von mir, und jeder deutet sie, wie er will. Das Gute entsteht aus der Tiefe meines Herzens, das Wahre aus den jungen Nebeln meines Bewußtseins. Ich bewundere mich getrost: es ist offenbar, daß meine Gesten und Worte eine Eigenschaft besitzen, die mir entgeht, den Frwachsenen aber auffällt. Daran soll es nicht fehlen!   - Jean-Paul Sartre, Die Wörter. Reinbek bei Hamburg 1968

Zukunft Köter


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