ugewinngemeinschaft
Er hatte mit vierunddreißig geheiratet, und zwar weniger aufgrund sexueller
oder psychischer Bedürfnisse, als vielmehr aus der Überzeugung heraus, dass
ein heterosexueller Junggeselle leicht befremdlich wirkte und schnell in den
Verdacht geriet, entweder verschroben zu sein oder unfähig, eine passende Partnerin
für sich zu gewinnen, was noch beschämender war. Er hatte keine größeren Schwierigkeiten
erwartet, war aber gewillt gewesen, sich Zeit zu lassen. Immerhin war er eine
gute Partie. Er hatte nicht vor, sich peinlicherweise einen Korb einzuhandeln.
Doch wie sich herausstellte, gestaltete sich das Projekt, dem er sich ohne jeden
Enthusiasmus widmete, erstaunlich rasch und unkompliziert. Nach nur zwei Monaten
gemeinsamer Abendessen und gelegentlicher Übernachtungen in einem diskreten
Landhotel war er zu der Überzeugung gelangt, dass Sydney Bellinger eine gute
Wahl wäre, und sie hatte deutlich gemacht, dass sie diese Ansicht teilte. Sie
hatte sich damals bereits einen Ruf als renommierte politische Journalistin
erworben. Die Verwirrung, die ihr uneindeutiger Vorname mitunter auslöste, war
dabei stets von Vorteil gewesen. Ihre aparte Erscheinung war zwar eher Geld,
gekonntem Make-up und einem makellosen Geschmack in Sachen Kleidung zuzuschreiben
als der natürlichen Veranlagung, aber er hatte nie mehr verlangt - romantische
Liebe ganz sicher nicht. Obwohl er sein sexuelles Verlangen zu sehr kontrollierte,
um sich je davon beherrschen zu lassen, bescherten ihm die Nächte mit ihr so
viel Vergnügen, wie er von einer Frau nur erwarten konnte. Sie gab das Tempo
vor, er fügte sich. Er vermutete, dass sie für sich ähnliche Vorteile in ihrer
Verbindung sah wie er, und das erschien ihm vernünftig. Die erfolgreichsten
Ehen waren die, in denen beide Partner das Gefühl hatten, etwas gewonnen zu
haben. - P. D. James, Wo Licht und Schatten ist. München
2006
Zugewinngemeinschaft (2) »Du
bist ein richtiger Widerling, egoistisch, grob, erbärmlich. Ist dir wirklich
nicht klar, in welchem Maße du anderen das Leben aussaugst und sie benutzt?
Warum wolltest du bei Mirandas Geburt dabei sein? Blut und unappetitliche Sachen
sind doch sonst nicht dein Fall, oder? Und es ging dir nicht um mich. Falls
du in dem Moment überhaupt irgendwas für mich empfunden hast, dann Ekel. Du
hast gedacht, du könntest vielleicht was übers Kinderkriegen schreiben, und
das hast du ja dann auch. Du musst anwesend sein, nicht wahr? Du musst alles
hören und sehen und ganz genau beobachten. Erst wenn du die körperlichen Details
richtig beschrieben hast, kannst du deine ganzen psychologischen Einsichten
produzieren, diese ganze Menschlichkeit. Wie hieß es doch gleich in der letzten
Rezension im Guardian? Die größtmögliche Annäherung an einen modernen
Henry James! Und sicher, die Worte beherrschst du, nicht wahr? Das muss ich
dir lassen. Tja, ich habe meine eigenen Worte. Ich brauche dein Talent nicht,
deinen Ruhm, dein Geld oder deine gelegentlichen Aufmerksamkeiten im Bett. Wir
sollten uns zivilisiert scheiden lassen. Ich bin nicht scharf darauf, unser
Scheitern publik zu machen. Es trifft sich gut, dass man mir einen Job in Washington
angeboten hat.« - P. D. James, Wo Licht und Schatten ist. München
2006
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