uchtbulle  Ein Kran hievte in einem Netz einen Stier gegen die Mole, und als dieser über dem Quai schwebte, hob er seinen Schwanz und ließ etwas fallen, so daß die Honoratioren sich in den Toiletten drängten, bevor sie sich an die Festtafel setzten. Monate später trafen wir den Stier wieder in einem Seitental der peruanischen Anden. Er weidete inmitten von dürftigen Grasbüscheln. Es tropfte ihm aus dem Maul, als er unseren alemannischen Dialekt vernahm.

Er war von einem schweizerischen Unternehmen hierher geholt worden. Die Firma baute das Elektrizitätswerk von Lima; das Wasser wurde, bei einer Fallhöhe von über dreitausend Metern bis Meeresniveau, auf verschiedenen Stufen gefaßt. Dafür mußte man ein Bergtal erschließen, und man dachte daran, dieses landwirtschaftlich zu entwickeln. Dafür schenkte die Firma den Gemeinden einen schweizerischen Zuchtstier, einen Muni, wie sich der Betroffene in seiner heimatlichen Sprache selber bezeichnete; er sollte die fremde Rasse verbessern, damit eine mastfähige Mestizen-Nachkommenschaft entstünde, die ebenso milchbringend wie fleischtragend sei.

Er habe, so stieß der Stier geifernd hervor, beim besten Erektionswillen nicht gewußt, ob er auch auf dreitausend Metern sprungfähig sei, also habe er sich akklimatisiert. Auf Meereshöhe habe er begonnen und habe, fünfhundert Meter um fünfhundert Meter, die Weibchen besprungen, und wenn er auf zweitausend Meter nicht nur vor Lust gekeucht habe, sei das nicht aufgefallen, auch die Kühe hätten die dünne Luft gespürt. Nachdem er aber auf dreitausend Metern seine Sprungfähigkeit bewiesen gehabt, habe eine Hexe seinen Potenz-Ruhm ruiniert. Eine alte Indianerin habe eine Kuh gebracht, genauso ausgemergelt wie sie; er habe sich auf seine Pflicht als Entwicklungshelfer besonnen und sei entschlossen gewesen, die Augen zuzumachen. Doch die Kuh sei gar nicht >stierig< gewesen, wie er in seinem Zuchtjargon darlegte. Das Hutzelweibchen habe keine Ahnung gehabt, daß es bei Kühen einen Brunstzyklus gibt, die habe ihr Leben lang die Tiere draußen auf der Weide gelassen und da sei eine Kuh eben eines Tages trächtig geworden und habe eines Tages auch geworfen. Die Kuh, die man ihm zuführte, habe ihn gar nicht zugelassen. Die Alte aber habe ihn verflucht und miesgemacht; die Talbewohner seien mit Steinen auf ihn losgegangen, und die Eunuchen von einheimischen Ochsen, die seinetwegen kastriert worden waren, hätten dem wiederkäuend zugeschaut.  - Hugo Loetscher, Die Papiere des Immunen. Zürich 1986

Zuchtbulle (2)


 
 Der Zuchtbulle. Mit zweiundzwanzig Jahren sind seine Hörner abgesplittert;
er bewegt seine Augen schwerfällig, und das ganze Gewicht ist nach vom verlegt,
fort von dort, wo achthundertundzweiundzwanzig Söhne für die Arena herkamen,
so daß schließlich das Hinterteil so leicht wie das eines Kalbes ist -
aber alles andere ist zu einem Denkmal des Stiers geworden.

- Ernest Hemingway, Tod am Nachmittag. Reinbek bei Hamburg 2003 (zuerst 1932)
 
 

Bulle Züchtung

 

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