iege, blöde  Signora Matilde Vecchio mußte gleich zweimal hinschauen, als er ihr Büro betrat. Er war recht groß, hatte dichtes, tiefschwarzes Haar, das aber ordentlich und nicht auf Gammlerart frisiert war, und einen wunderbar bronzefarbenen Teint. Besonders konventionell war er ja nicht gerade angezogen: Er trug superenge Jeans, die auf den schmalen Hüften saßen, und dazu einen orangefarbenen Pullover, der reichlich weit und doch für den mächtigen Brustkorb und die breiten Schultern fast noch zu klein war. Signora Vecchio war in ihren knapp fünfzig Jahren noch nie so beeindruckt gewesen von einem Mann. Sie dachte nicht etwa: Das ist aber mal ein wirklich gutaussehender junger Kerl. . . Sie dachte: Da s ist ein Prachtexemplar! Ungeachtet ihres Alters, ihrer sonstigen Selbstbeherrschung und ihres widerlichen Hochmuts senkte sie deshalb den Blick — er sollte nicht merken, welche Gefühle er in ihr wachrief.

„Bitte, nehmen Sie Platz", sagte sie— sogar ihre Stimme klang weniger scharf als gewöhnlich.

Auch er sah sie an — mit dem Blick, den er für nicht mehr ganz taufrische Damen bereithielt. Er versuchte, ihr Alter zu schätzen - von taufrisch konnte da wirklich nicht mehr die Rede sein. Und ihr Charakter ... Er kam zu dem Schluß, daß sie vermutlich eine blöde Ziege war. Um so besser - das würde sein Vorhaben nur erleichtern. Er legte Wärme in seinen Blick, ließ einen warmen Strom von Sympathie von sich zu ihr hinüberfließen.  - Giorgio Scerbanenco, Stirb bei den tiefgekühlten Fischen. In: G.S., Stirb bei den tiefgekühlten Fischen. Reinbek bei Hamburg 1977

 

Ziege

 

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