Zerrspiegel   Ich hielt die Vorderseite des Ovals gegen die grelle Sonne und beobachtete, wie sich das Licht in dem Gold und Silber fing. Dann steckte ich mir das Abzeichen an mein Uniformhemd und begutachtete in der blauen Plastikfolie, mit der Rollos Schaufenster überzogen war, mein Spiegelbild. Die Folie hatte Falten und Blasen geworfen, und ich sah aus wie ein Monstrum. Obwohl ich kerzengerade dastand, hing mir mein Bauch herunter, als wäre ich ein blaues Känguruh, und mein Arsch war so breit, als hätte ich zwei Gummiknüppel quer nebeneinander verschluckt. Meine Backen hingen mir in diesem Zerrspiegel bis auf die Brust herab, und mein breites, rosiges Gesicht mit der geröteten Nase war von einem tiefen, geäderten Blau, ähnlich der Farbe meiner Uniform, die aus irgendeinem Grund unverändert reflektiert wurde. Insgesamt also ein häßlicher Anblick, aber es war das Abzeichen, das mich daran hinderte, meine Augen abzuwenden. Das zehn Zentimeter große Oval an meiner Brust funkelte und blitzte so sehr, daß ich nach ein paar Augenblicken den blau gekleideten Mann dahinter gar nicht mehr sehen konnte. Vielleicht eine ganze Minute lang stand ich einfach nur so da und starrte auf das Abzeichen. - Joseph Wambaugh, Der müde Bulle. München 1990

Zerrspiegel (2)

- M. C. Escher, nach Bruno Ernst: Der Zauberspiegel des M. C. Escher. München 1985 (dtv 2879, zuerst 1978)

Spiegel Verzerrung

Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

Verwandte Begriffe
Synonyme