ensur „Der Hippokampus gleicht einer Schere im Kopf", erklärt Emrich, der sich seit rund 15 Jahren der Erforschung von Illusionen widmet. „Aber ohne diese Form der Zensur würden wir in der Welt nie zurechtkommen können."

Denn unentwegt wird das Gehirn von einer unvorstellbar großen Menge von Daten geflutet, vieles davon ist sinnlos, vieles widersprüchlich. Nun gilt es zu entscheiden:

Was von all diesen Informationen ist wirklich bedeutsam? Welche der Daten gehören zusammen, welche widersprechen sich?

Aufgabe des Hippokampus ist es, aus der Fülle möglicher Deutungen, die ihm das Hirn vorschlägt, die plausibelste auszuwählen. Dazu wird in dieser Hirnstruktur unentwegt das Wahrgenommene mit dem Erwarteten verglichen; was allzu ungewöhnlich scheint, wird schlicht verworfen. ,,Der Hippokampus arbeitet nach dem Motto von Christian Morgenstern: "Weil nicht sein kann, was nicht sein darf", erklärt Emrich. Im Alltag ist diese Fähigkeit von höchster Wichtigkeit: Aus dem Krach, der in jeder Kneipe das Ohr bestürmt, lassen sich nur dann sinnvolle Sätze des Tischnachbarn herausfiltern, wenn der Großteil aus Wortfetzen erahnt, unentwegt Hypothesen über das Gesagte vermeintlich eindeutig Gehörte ins Bewusstsein dringt. Ohne die Zensur im Hippokampus würde der Mensch orientierungslos in einem sinnlosen Meer von Daten trudeln.

So wichtig jedoch der Plausibilitätsfilter sein mag, so schränkt er doch die WeItsicht ein. Scheuklappen gleich lenkt er den Blick auf das als wesentlich Erkannte. Was rechts und links liegt, bleibt unbeachtet. "Wenn dieser Filter zu streng filtert, dann erfährt man nur, was man ohnehin schon weiß", sagt Emrich.

Deshalb fördere es die Kreativität, wenn es gelingt, die Schere im Kopf mitunter zu überlisten.  „Dann können sich plötzlich ganz neue Bedeutungszusammenhänge ergeben“, erklärt der Forscher.  "Auch Erleuchtungen bestehen möglicherweise darin, dass die Selbstzensur im Hippokampus überrannt wird." Der Halluzinierende sieht Emrich zufolge stets seine eigene Wirklichkeitshypothese:  "Die eigene Phantasie wird ihm vom Hirn als Realität eingespielt." - Aus: Spiegel 21/2002

Zensur (2)  «Das Gehirn scheint eine Entscheidung getroffen zu haben, bevor die Person sich dessen bewußt ist», schrieb der amerikanische Philosoph Thomas Nagel. Und der dänische Wissenschaftsautor Tor Nørretranders zieht in seinem Buch Spüre die Welt aus Libets Beobachtungen die Schlußfolgerung: «Dem Menschen wird nicht viel bewußt von dem, was er wahrnimmt; es wird ihm nicht viel bewußt von dem, was er denkt; es wird ihm nicht viel bewußt von dem, was er tut.»

Sowohl Libets Experimente zum freien Willen als auch die anfänglich nachgewiesene Verspätung des Bewußtseins erschüttern jedenfalls nachhaltig den Glauben an unsere Fähigkeit zur bewußten Steuerung. Wir sind oft viel weniger Herr der Lage, als wir glauben. Dazu fehlt in vielen Fällen auch schlicht und einfach die Zeit: «Beim Tennis- oder Baseballspiel etwa muß man in Millisekunden reagieren. Da kann man nicht darüber nachdenken, was man tut», sagt Benjamin Libet.

Trifft also nicht das bewußte Ich solche Entscheidungen, sondern ein umfassenderes Selbst, das auch unbewußte Komponenten enthält, wie Tor Nørretranders meint? Diese These hat auch ihre Tücken. Warum werden nur jene Reize bewußt erlebt, die im Gehirn mindestens eine halbe Sekunde lang präsent sind? Offenbar verschafft sich unser Geist dadurch eine Art Filter, der verhindert, daß unser Bewußtsein mit unwichtigen Informationen von kürzerer Dauer überschwemmt wird. Doch die Verzögerungstaktik im Kopf läßt noch eine etwas andere Interpretation zu. «Das erlaubt anderen Hirnprozessen, die Natur einer Erfahrung zu verändern, bevor sie ins Bewußtsein dringt. Das gilt zum Beispiel, wenn eine Erfahrung emotional aufgeladen ist oder unserem Weltbild widerspricht», erklärt Libet. Seine nüchterne Schlußfolgerung: «Es gibt unbewußte Zensoren im Hirn, die versuchen, das Wahrgenommene in Übereinstimmung zu bringen mit dem, was wir gelernt haben.»

Wenig schmeichelhaft. Haben diese Befunde sein Verhältnis zu seinem eigenen Gehirn verändert? «Ich war schon etwas verblüfft», gibt der Neurophysiologe zu. Doch dem alten Herrn blitzt dabei auch der Schalk aus den Augen. «Wissen Sie, der englische Biophysiker und Nobelpreisträger Archibald Vivian Hill wurde einmal gefragt, woher er wisse, wann er eine gute Idee habe. Und Hill antwortete: ›Wenn sie mir angst macht.‹» - (kopf)

Zensur (3)  Dem Herausgeber, der nach uns kommt, möchte ich sowohl zum Besten des Werkes als auch zur Sicherheit seiner Person empfehlen, den Zensoren nur die Druckbogen zu schicken, nicht aber das Manuskript. Bei dieser Vorsicht können die Artikel weder verlorengehen noch verpfuscht noch ganz unterdrückt werden; vielmehr wird dann der Schnörkel des Zensors am unteren Rand jedes Druckbogens am sichersten dafür bürgen, daß man nichts hinzugefügt, nichts geändert, nichts gestrichen hat, und daß das Werk in dem Zustand geblieben ist, in dem es für den Zweck des Druckes zensiert worden ist.

Doch Name und Funktion des Zensors erinnern mich an eine wichtige Frage. Man hat gefragt, ob es nicht besser wäre, wenn eine Enzyklopädie stillschweigend erlaubt statt ausdrücklich genehmigt würde. Diejenigen, die dafür waren, sagten: »In diesem Fall würden die Autoren die volle Freiheit genießen, die notwendig ist, um ein vortreffliches Werk zu schaffen. Wie viele wichtige Themen könnte man dann in ihm behandeln? Welche großartigen Artikel würde das Staatsrecht liefern! Wie viele andere könnte man in zwei Spalten drucken, um in der einen das Für und in der anderen das Wider darzulegen ! Das Historische würde unvoreingenommen dargestellt, das Gute laut gelobt, das Schlechte rücksichtslos getadelt werden; die Wahrheiten würden festgestellt, die Zweifel vorgebracht, die Vorurteile zerstört werden, und der Gebrauch der versteckten Hinweise wäre stark eingeschränkt.«

Ihre Gegner antworteten einfach: »Wieviel besser war es doch, ein wenig Freiheit zu opfern, als sich der Gefahr auszusetzen, in Willkür zu verfallen! Außerdem«, fügten sie hinzu, »ist unsere Umwelt so beschaffen, daß ein außergewöhnlicher Mensch, der sich das Ziel gesetzt hätte, ein so umfangreiches Werk wie das unsrige zu schaffen, und dem es vom höchsten Wesen vergönnt wäre, die Wahrheit in allem zu erkennen, dennoch zu seiner Sicherheit einen unerreichbaren Aufenthaltsort in den Lüften bekommen müßte, von dem dann die Blätter seines Manuskriptes auf die Erde herabfallen würden.«

Da es demnach sehr zweckmäßig ist, die Zensur über sich ergehen zu lassen, kann man keinen zu intelligenten Zensor haben. Er muß fähig sein, sich dem allgemeinen Charakter des Werkes anzupassen, muß uneigennützige und großzügige Ansichten haben, nur das achten, was wirklich Achtung verdient, und den Ton kennen, der jeder Person und jedem Sujet geziemt; er darf vor nichts zurückschrecken, weder vor den zynischen Bemerkungen des Diogenes noch vor den Fachausdrücken Winslows, noch vor den Syllogismen des Anaxagoras, und darf nicht fordern, daß man das, was man nur historisch berichtet, widerlegen, abschwächen oder gar unterdrücken soll; er muß den Unterschied zwischen einem unermeßlichen Werk und einer kleinen Broschüre kennen und die Wahrheit, die Tugend, den Fortschritt des menschlichen Wissens und die Ehre der Nation so sehr lieben, daß er nur diese großen Gegenstände vor Augen hat. - (enz)

Zensur (4) In der Geschichte "Donald Ducks kosmische Bombe" (1947) erfindet Donald Duck eine Bombe mit unbekannter Wirkung, die von einem Spion gestohlen wird. Als die Bombe versehentlich explodiert, fallen allen Entenhausenern die Haare aus. Im letzten Bild eröffnet Donald einen Verkaufsstand, an dem er Haarwuchsmittel anbietet.

ZENSIERT: Das Ende der Geschichte wurde in der Barks Library abgeändert. Anstatt das Haarwuchsmittel zu verkaufen, verschenkt er es nun als Wiedergutmachung. Dazu wurde im letzten Bild der Text geändert, die Kasse durch einen Stapel mit Haarwuchsmittel ersetzt, die Geldscheine der wartenden Personen wurden entfernt, bzw. durch einen Kamm und einen Hut ersetzt. In der deutschen Ausgabe übersetzte man den Text jedoch wieder entsprechend dem Original.

Weiterhin wurden bei der Restauration der Druckvorlagen einige Details abgeändert, z.B. der Schlagstock eines Polizisten durch Handschellen ersetzt. Die Registrierkasse wurde durch einen Stapel Haarwuchsmittel ersetzt, die Geldscheine entfernt bzw. durch einen Kamm oder Hut ersetzt. Der Polizist wurde verkleinert, der Schlagstock durch Handschellen ersetzt. - www.comiczensur.de

Zensur (5) Auf einer Versammlung hinter verschlossenen Türen hatten die Hühner den Entschluß gefaßt, Gargantua und Pantagruel von Rabelais auf den Index zu setzen, weil darin behauptet wurde, der beste Arschwisch der Welt sei ein lebendiges Küken. Ein literarisch gebildetes Huhn meldete sich zu Wort und sagte, Gargantua wische sich den Hintern mit einem kleinen flaumigen Gänserich ab und nicht mit einem Hühnerküken, so daß man das Buch nicht auf den Index zu setzen brauche.  - (ma)

Zensur (6)

Beurteilung Machtmittel Verbot Verbot
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