eck
Der kleine häßliche Zeck, der seinen bleigrauen Körper zur
Kugel formt, um der Außenwelt die geringstmögliche Fläche zu bieten; der seine
Haut glatt und derb macht, um nichts zu verströmen, kein
bißchen von sich hinauszutranspirieren. Der Zeck, der sich extra klein und unansehnlich
macht, damit niemand ihn sehe und zertrete. Der einsame Zeck, der in sich versammelt
auf seinem Baume hockt, blind, taub und stumm, und nur
wittert, jahrelang wittert, meilenweit, das Blut vorüberwandernder Tiere, die
er aus eigner Kraft niemals erreichen wird. Der Zeck könnte sich fallen lassen.
Er könnte sich auf den Boden des Waldes fallen lassen, mit seinen sechs winzigen
Beinchen ein paar Millimeter dahin und dorthin kriechen und sich unters Laub
zum Sterben legen, es wäre nicht schade um ihn, weiß
Gott nicht. Aber der Zeck, bockig, stur und eklig, bleibt hocken und lebt und
wartet. Wartet, bis ihm der höchst unwahrscheinliche
Zufall das Blut in Gestalt eines Tieres direkt unter den Baum treibt. Und dann
erst gibt er seine Zurückhaltung auf, läßt sich fallen und krallt und bohrt
und beißt sich in das fremde Fleisch - Patrick Süskind,
Das Parfüm. Die Geschichte eines Mörders. Zürich 1985