Pauberstab  »Ich schwörs Ihnen vor Gott«, sagte der Pfarrer.

»Aber schließlich, Herr Pfarrer, wenn Sie nichts von all dem tun, sind Sie sich denn auch bewußt, daß Sie als Pfarrer nicht existieren?«

»Leider, mein Sohn«, sagte der Pfarrer.

»Glauben Sie an Gott?«

»Daran ist nicht zu rütteln.«

»Auch daran nicht?« (Ich hielt ihm den Schwanz hin.)

»Ich glaube an ihn«, sagte der Pfarrer.

»Sie existieren nicht, Herr Pfarrer, Sie existieren nicht. Das ist nicht möglich.«

»Das ist wahr, mein Sohn. Sie haben zweifellos recht.«

Er machte einen erschöpften Eindruck. Ich habe ihn erblassen sehn, und seine Haut ist durchsichtig geworden.

»Was geschieht Ihnen, Herr Pfarrer? Nehmen Sie's nicht tragisch! Sie haben Zeit, einen Band Gedichte zu schreiben!«

»Zu spät«, murmelte er. Seine Stimme erreichte mich von sehr weit her. »Was wollen Sie, ich glaube an Gott, und das ist alles.«

»Aber das gibt es nicht, so einen Pfarrer« (ich murmelte auch).

Er wurde immer durchsichtiger, und dann löste er sich an Ort und Stelle in Dampf auf. Verdammt, das war mir peinlich. Kein Pfarrer mehr. Das Gebetbuch habe ich als Andenken mitgenommen. Ich lese jeden Abend ein wenig darin. Ich habe darin seine Adresse gefunden. Von Zeit zu Zeit gehe ich zu ihm, in das kleine Pfarrhaus, wo er lebte. Ich gewöhne mich daran. Sein Dienstmädchen hat sich getröstet, sie liebt jetzt mich, und dann höre ich einige Male die Beichte der Mädchen, der jungen ... ich trinke Meßwein ... Im Grunde ist es gar nicht übel, Pfarrer zu sein.  - Boris Vian, Der Voyeur. Berlin 1989

Zauberstab (2) »Warum also nicht?« - »Weil ich selbst die Grenzen meiner Kraft nicht kenne, ich habe sie noch nie ausprobiert.«

»Niemals? Aber mein Bester, dann wäre es doch wirklich schade, wenn Sie uns nicht gestatten würden, heute einem Experiment beizuwohnen.«

Sepulcrus schüttelte lächelnd seinen runden Kopf. Aller Blicke waren auf ihn gerichtet, und die meisten genossen schon im voraus die lächerliche Figur, die er im Begriff war zu spielen. Fast tat ihnen der kleine Mann in den Klauen des Grafen Dela Monaco leid. Endlich murmelte Sepulcrus: »Wenn Sie, mein Herr, es absolut wünschen ...«

Ein Chor von: »Bravo, das Wunder, Herr Professor, lassen Sie uns das Wunder sehen!« ertönte es von allen Seiten.

Der Graf war aufgestanden und wies die andern zur Ruhe.

»Ich spreche Ihnen im Namen aller unsern Dank aus. Was für eine Probe dürfen wir Ihnen nun auferlegen?«

Smith mischte sich ein: »Bitten Sie ihn doch, diese verfluchten Motoren draußen zum Schweigen zu bringen, die meine Nerven zerrütten.« Von der Straße her hörte man den ununterbrochenen Lärm vorüberrasselnder Lastwagen, knatternder Motorräder und hupender Autos.

»Können Sie das, Professor?«

»Ich will es versuchen«, antwortete Sepulcrus ruhig.

»Und womit, wenn man fragen darf?«

»Mit diesem«, und er zog einen dünnen weißen Stab aus seiner Innentasche.

»Bravo, der Zauberstab. Bravo, Professor«, und alle lachten belustigt.

»Also, dann kann es ja losgehen «, ermutigte der Theaterdirektor. »Heißen Sie einmal alle Motoren stillstehen.« Sepulcrus sah sie mit dem Blick eines von Hunden gehetzten Wildes an und sagte, in sein Schicksal ergeben: »Sie haben es gewollt.« Dann hob er den Stab, murmelte einige unverständliche Worte und schlug mit ihm auf den Tischrand.

»Halt, halt«, rief der Graf Dela Monaco und lachte diesmal selbst aus vollem Halse. »In diesem Moment fliegt meine Frau über den Ozean, und ich möchte nicht, daß sie gerade...«

Sepulcrus sah ihn so demütig und bescheiden wie je an, doch in seinen Augen stand Schrecken: »Es ist zu spät, Herr Graf.«

Dann stand er von seinem Stuhl auf, grüßte die im Kreise Sitzenden und ging mit kleinen Schritten zur Tür, während ihm das Lachen seiner Kollegen folgte.

»Herr Professor, die Autos fahren immer noch«, rief einer, »Sie müssen den Zauberstab zur Reparatur schicken.« Ohne sich umzuwenden, mit gesenktem Kopf, schlüpfte der Professor zur Tür hinaus und verschwand hinter den Glasscheiben des Cafés.

In diesem selben Augenblick überfiel sie die Stille. Kein Laut drang mehr von außen, als sei die Stadt plötzlich von einer tödlichen Lähmung ergriffen worden. Sie schauten durch die Fenster des Cafés. Draußen auf der Straße war alles still und leblos. Sie liefen hinaus und sahen nur am Ende der Straße die Lichter mehrerer Autos unbeweglich leuchten.

Das Monokel entfiel dem Grafen Dela Monaco und blieb an einer Schnur baumeln. Sein Gesicht war auf einmal blaß und verzerrt. »Meine Frau«, murmelte er, »meine Frau im Flugzeug...«

Klopfenden Herzens standen sie alle auf der Straße und hofften, das Opfer einer Autosuggestion oder eines Zufalls geworden zu sein.

»Gott im Himmel, laß nur ein einziges Auto vorbeifahren«, schluchzte der berühmte Zauberkünstler.

Aber nichts rührte sich. In der ganzen Welt standen die Motoren still.  - Dino Buzzati, Die Maschine des Aldo Christofari. Frankfurt am Main 1985

Zauberstab (3) Ein Gewehr ohne Kugeln ist eine Schande, ist wie ein kastriertes Tier ... Ein geladenes Gewehr, dagegen, ist... Nun ja, ich wiederhole mich. O Mann, ein geladenes Gewehr ist wie ein Zauberstab, der dir magische Kräfte verleiht. Ich weiß nicht... Nehmen Sie einmal ein Gewehr in die Hand, oder einen Revolver, wiegen Sie ihn in ihrer Hand ab, schmiegen Sie Ihre Finger um die Formen, die bis ins kleinste Detail durchdacht sind, damit die Waffe sich bequem der Hand anpaßt, wie eine Prothese, ein Teil des Körpers. Betrachten Sie seine Linien, die schlanke, elegante, verführerische Form, oder die schwere, stattliche, funktionelle Form, je nach Waffe, und denken Sie an die Weisheit, die dieses Werkzeug verkörpert, bedenken Sie, daß es geradezu ein Erzeuger von Energie und Macht ist.   - Andreu Martín, Die Stadt, das Messer und der Tod. Bühl-Moos, Baden-Baden  1994
 
 

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