Zauberermachen  In alten Liedern der minstrels wird berichtet, wie der König des Alten Jahres antritt zum Kampf mit dem Gott des Kommenden Jahres, zum Kampf um die Liebe der kapriziösen und allmächtigen dreifaltigen Göttin, die Mutter, Braut und Totengräberin in einer Person ist.

In ihren Liedern pflegten sich jene Sänger der Zunft außerhalb des Geländers mit dem König des Vergehenden Jahres zu identifizieren, und ihre Muse war die dreifaltige Göttin, jene schöne, schlanke Frau mit einer Hakennase, todbleichem Gesicht, Lippen mit dem Rot von den Beeren der Eberesche, stechenden blauen Augen und langem blondem Haar.

Daher kam also dieser Kerl, pfeifend oder singend. Und er sah das Mädchen und war davon überzeugt, es handele sich um eine Erscheinungsform der Göttin, nach der er schon lange verrückt war, die sich ihm im Traum hundertmal verweigert und statt ihrer selbst ihm immer nur ihre Mägde geschickt hatte.

Jetzt aber stand sie vor ihm, im brechenden Licht eines Tages, durch das soviel blühendes Weiß geweht war. Er nahm sie, warf sie auf einen Grabhügel und beschlief sie. Vielleicht hörte sie das verrückte Konzert einer Amsel von der Spitze eines blühenden Apfelbaums her. Vielleicht sah sie über sich den ersten Stern in einem noch ziemlich hellen Abendhimmel. Bis ihr Hören und Sehen vergingen. Sie schrie, aber nicht um Hilfe, sondern vor Lust. Es roch nach den zerbrochenen Stengeln der Narzissen, aber auch nach Toten, nach wieder zu Erde gewordenem Fleisch. Mäuse raschelten im Buchenlaub vom vergangenen Jahr, und im Efeu, der am Kirchtum rankte, schrie eine Eule.

So wurde Merlin gezeugt.

Sollte es damals schon Tarotkarten gegeben haben, die sich das Mädchen legen konnte, noch schwach in den Knien und liebeswarm in der Klosterzelle, so wird ganz oben rechts, am Ende der Zukunftsreihe der Gehängte gelegen haben.   - Frederik Hetmann, Anhang zu: T. H. White, Das Buch Merlin. Düsseldorf u. Köln 1982

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